Frühere Verfassungsschützerin Umstrittene Doppelrolle von Beamtin im Amri-U-Ausschuss

Berlin · Immer wenn es richtig spannend wird, schüttelt die Beamtin aus dem Bundesinnenministerium den Kopf. "Nein", sagt sie, das dürfe die Zeugin jetzt nicht beantworten. Dass sie damals selbst beim Verfassungsschutz war, erfahren die Abgeordneten erst viel später.

 Im Dezember 2016 richtete der Attentäter Anis Amri auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz ein Blutbad an.

Im Dezember 2016 richtete der Attentäter Anis Amri auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz ein Blutbad an.

Foto: Michael Kappeler

Im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz sorgt die Doppelrolle einer ehemaligen Verfassungsschützerin für Empörung.

Die Abgeordneten, die mögliche Behördenfehler vor dem Attentat auf dem Weihnachtsmarkt aufklären sollen, haben nach eigenen Angaben erst an diesem Dienstag aus einem Schreiben erfahren, dass eine Beamtin, die an den Sitzungen ihres Ausschusses als Vertreterin des Bundesinnenministeriums teilnimmt, mindestens bis Sommer 2016 selbst beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in der Islamismus-Abteilung gearbeitet hatte. Damit könnte sie theoretisch als Zeugin im Ausschuss befragt werden. Die "Welt" hatte zuerst über das Schreiben berichtet.

Die Beamtin war nach Angaben aus Ausschusskreisen im Bundesamt für die Auswertung von Informationen über zwei Kontaktleute des späteren Attentäters Anis Amri zuständig gewesen. Einer von ihnen ist der Deutsch-Serbe Boban S., der jetzt in Celle vor Gericht steht. Er soll Kämpfer für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien rekrutiert haben. Ihn behielt die Beamtin bis August 2016 im Blick. Amri hielt sich zeitweise in der Dortmunder Wohnung von Boban S. auf.

Der zweite Kontaktmann, mit dem sich die Beamtin Eva Maria H. in ihrer Zeit beim Verfassungsschutz befasste, ist Kamel A.. Er hatte Amri in Berlin eine Bleibe besorgt.

"Einen Interessenkonflikt halte ich für möglich", sagte der Ausschussvorsitzende Armin Schuster am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. In welchem Umfang die Beamtin damals mit den Maßnahmen des Verfassungsschutzes im Umfeld von Amri in Berührung gekommen sei, werde der Ausschuss jetzt prüfen. Das Bundesinnenministerium müsse dem Ausschuss zudem erklären, "warum uns die mögliche Zeugeneigenschaft bisher nicht aufgezeigt wurde".

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte auf Anfrage: "Die Aufklärungsrechte des Untersuchungsausschusses sind von der Auswahl der Beauftragten unabhängig und bleiben vollumfänglich gewahrt." Sollte der Ausschuss entsprechende Zweifel hegen, könnten Streitfälle vor Gericht gebracht und die Vorlage bislang gesperrter Dokumente oder Aussagen zu bestimmten Sachverhalten angeordnet werden.

Während der Vernehmung von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes war die Beamtin mehrfach eingeschritten, um Aussagen zu verhindern, die nach ihrer Einschätzung nicht in einer öffentlicher Sitzung gemacht werden sollten. Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz sprach von einem "ungeheuerlichen Vorgang". Sein Vertrauen in das Aufklärungsinteresse der Regierung sei dadurch tief erschüttert. Die Linken-Obfrau Martina Renner sagte der "Welt", sie sehe die Aufklärungsarbeit des Ausschusses gefährdet.

Am 19. Dezember 2016 war der Tunesier Amri mit einem gestohlenen Lastwagen in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gerast. Er tötete zwölf Menschen. Nach der Tat setzte er sich nach Italien ab, wo er später von der Polizei erschossen wurde. Es war der bislang schwerste islamistische Terroranschlag in Deutschland.

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