Kommentar zum Hebammen-Notstand Unverzeihliches Risiko

Meinung | Berlin · Seit Jahren verschlechtern sich durch Kostendruck der Kliniken und zu geringe Besetzung mit Hebammen die Bedingungen für werdende Mütter. Dem muss die Politik Einhalt gebieten. Ein Kommentar von GA-Korrespondentin Eva Quadbeck.

Die Entbindung im Krankenhaus ist eine frühe Errungenschaft der Frauenbewegung. Hygiene, Versorgung von Mutter und Kind sowie medizinische Hilfe haben entscheidend dazu beigetragen, die Säuglingssterblichkeit auf ein Minimum zu bringen. Dieser Fortschritt ist ein großer Schatz, den es zu bewahren gilt.

Doch seit Jahren verschlechtern sich durch Kostendruck der Kliniken und zu geringe Besetzung mit Hebammen die Bedingungen für werdende Mütter. Dem muss die Politik Einhalt gebieten. Es bedarf einer gesetzlichen Vorschrift, wie viele Hebammen für wie viele Geburten pro Jahr in einer Klinik angestellt sein müssen. Zudem ist es höchste Zeit, dass die medizinische Leitlinie für die Zahl der Hebammen in einer Klinik auch kontrolliert wird.

Die große Koalition hat in dieser Wahlperiode eine Krankenhausreform auf den Weg gebracht, durch die Hunderte von Millionen Euro zusätzlich in die Kliniklandschaft fließen. Auch die Qualität soll steigen. So soll es Mindestzahlen auch bei Geburten geben, damit Krankenhäuser ihre Entbindungsstationen aufrecht erhalten dürfen. Diese Art des Qualitätsmanagement ist richtig, greift aber viel zu kurz, weil es den Schlüssel der Hebammen-Besetzung nicht verbessert und die Zahl der Entbindungsstationen nur weiter senken wird.

Die Geburtenrate in Deutschland ist mit durchschnittlich 1,4 Kindern pro Frau niedrig. Die Kinder, die geboren werden, erscheinen uns umso wertvoller. In vielen Bereichen gibt es eine Überbetreuung des Nachwuchses, wenn man Schilderungen über Helikoptereltern und Englischkurse für Kleinkinder hört. Dass wir es uns leisten, ausgerechnet am Anfang des Lebens wieder mehr Risiken einzugehen, ist unverzeihlich.

Krankenhäuser in Deutschland werden nach einem Pauschalsystem bezahlt. Gleichgültig, ob eine Geburt drei Stunden dauert und die Mutter mit ihrem Säugling nach zwei Tagen die Klinik wieder verlässt oder ob es über 18 Stunden mit viel Personaleinsatz geht, die Kliniken erhalten immer die gleiche Pauschale. Es sei denn, es kommt zu einem Kaiserschnitt. Diese lohnen sich für die Krankenhäuser finanziell mehr. Auch darin liegt ein Missstand bei der Finanzierung von Entbindungen.

Kurzum: Die Krankenhausreform muss in Sachen Entbindungen nachgebessert werden. Der Bund sollte auf Grundlage aktueller Geburtenzahlen den Bedarf an Hebammen vorschreiben. Die Länder wiederum müssen dafür sorgen, dass diese Personalschlüssel in ihre Krankenhausplanung eingepreist werden.

Sehr hilfreich wäre es zudem, den freiberuflich arbeitenden Beleghebammen das Leben wieder leichter zu machen und sie noch stärker bei ihren hohen Berufshaftpflicht-Versicherungsprämien zu entlasten. Da sie die Mütter vor, während und nach der Geburt begleiten, kann ein wertvolles Vertrauensverhältnis zum Nutzen von Mutter und Baby entstehen.

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