Kommentar zum Zustand der Pflege in Deutschland Unzureichend

Meinung | Berlin · Die Politik fährt auf, wenn es um Pläne zur Verbesserung des Pflege-Sektors geht. Doch die Initiativen sind unzureichend, sagt unsere Autorin Birgit Marschall.

Seit den TV-Wahlarenen im Bundestagswahlkampf 2017 wissen die dort stark kritisierten Spitzenpolitiker: In der Pflege liegen die Dinge so sehr im Argen, dass sie das Thema nicht mehr ignorieren dürfen. Gleich drei Bundesminister versprachen unlängst eine „konzertierte Aktion“ zur Steigerung des Pflegepersonals.

Sie wollen dafür sorgen, dass 13 000 neue Pflegestellen in Altenheimen entstehen. Nun legt Gesundheitsminister Jens Spahn mit einem „Pflegepersonalstärkungsgesetz“ für die Alten- und Krankenpflege nach. Von 2020 an sollen Krankenhäuser festgelegte Personaluntergrenzen nicht mehr unterschreiten dürfen.

So richtig die Initiativen im Grundsatz sind, so unzureichend sind sie im Detail. 13 000 zusätzliche Stellen bei einem Personalbedarf von eigentlich heute schon 60 000 sind Tropfen auf den heißen Stein und werden von den Betroffenen in den Pflegeeinrichtungen eher als Witz empfunden. Doch selbst diese 13 000 Stellen zu besetzen fällt den Pflege-Einrichtungen schwer: Zwar gibt es einige Erfolge bei der Anwerbung ausländischer Pflegekräfte, doch die reichen zahlenmäßig kaum.

Der Pflegeberuf ist aus vielerlei Gründen zu unattraktiv: Hohe zeitliche und psychische Belastungen einerseits, geringe Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen andererseits locken kaum junge Leute in diese Berufe. Arbeitgeber und Politik sollten nicht nur für höhere Gehälter mit auch außertariflichen Zulagen sorgen.

Kürzere Schichten und festgelegter Personalschlüssel

Es geht auch um kürzere Schichten und das Versprechen, dass ein Job mit einem vorher festgelegten Personalschlüssel verbunden ist – Jobanwärter also damit rechnen können, dass sie nicht überfordert werden.

Dafür könnte Spahns Personalstärkungsgesetz einen Beitrag leisten. Einige Kliniken haben das eigentlich für Personal vorgesehene Geld der Krankenkassen in den vergangenen Jahren zweckentfremdet und beispielsweise für Umbauten und Sanierungen genutzt. Diese Investitionen hätten aber die zuständigen Bundesländer übernehmen müssen.

Spahn sollte also dafür sorgen, dass die Länder dieser Aufgabe gerecht werden und eine moderne bauliche Ausstattung der Krankenhäuser aus eigenen Mitteln garantieren – statt sie den Krankenkassen aufzubürden. Viele Kliniken lassen zudem Fördermittel des Bundes zur Stärkung des Personals liegen, wie der GKV-Spitzenverband zur Recht beklagt.

Langfristig wird wegen der demografischen Entwicklung eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung unvermeidbar sein. Denn sie ist anders als die Krankenversicherung bisher nur eine Teil-Versicherung: Die Leistungen müssen aus privaten Mitteln oft erheblich aufgestockt werden. Wer aber verhindern will, dass die Pflege-Beiträge in Zukunft drastisch steigen, wird einen Bundeszuschuss aus Steuermitteln einführen müssen, wie er auch für die Renten- und Krankenversicherung existiert.

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