Bundesamt für Verfassungsschutz Bedrohung durch rechte Gewalt in letzten Monaten gewachsen

Berlin · Die Bedrohung durch rechte Gewalt ist nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz deutlich gestiegen. Rund 12.000 Rechtsextreme gelten als gewaltbereit. Gefahr geht aber auch von anderen Seiten aus.

 Der Verfassungsschutz warnt vor der zunehmenden Gefahr durch rechte Gewalt.

Der Verfassungsschutz warnt vor der zunehmenden Gefahr durch rechte Gewalt.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Die Bedrohung durch rechte Gewalt ist nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz in den vergangenen zwölf Monaten deutlich größer geworden. Außerdem werde es immer komplexer, die rechte Szene im Auge zu behalten. Das teilte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang am Dienstag in einer Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag mit. Von den rund 24.100 Personen, die Haldenwang als Rechtsextreme bezeichnet, sei die Hälfte gewaltbereit.

Er habe bereits vor einem Jahr vor einer Verschärfung der Lage gewarnt, sagte Haldenwang. „Leider hat sich der Trend nur allzu deutlich bestätigt.“ Die Lage sei „heute bedrohlicher als vor einem Jahr“. Üblicherweise tagt das Parlamentarische Kontrollgremium geheim in abhörsicheren Räumen des Reichstags. Einmal im Jahr befragen die Abgeordneten die Chefs der Geheimdienste aber öffentlich. Neben Haldenwang gaben der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, sowie Christof Gramm als Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) Auskunft.

In der dreistündigen Sitzung wurde klar, dass die Sicherheit Deutschlands von mehreren Seiten zugleich bedroht wird. Rechte Netzwerke im Internet etwa würden auf unterschiedlichen Plattformen und bei Messenger-Diensten entstehen. Einzelne Personen würden sich dort radikalisieren – und teils im Alleingang Attentate planen. So habe der Täter des Anschlags von Halle nach bisherigen Erkenntnissen „seinen Plan bis zur Tat mit niemandem geteilt“, sagte Haldenwang. In solchen Fällen sei ein „missionarischer Täter“ am Werk.

Haldenwang sprach von einer „neue Rechten“, die den Nährboden biete für Radikalisierung. Dazu zählte er auch den „Flügel“ und die Junge Alternative in der AfD. Der Verfassungsschutzchef wünschte sich mehr Personal, um die Netzwerke besser beobachten zu können. Am Dienstag nahm seine Behörde eine neue Hotline mit dem Namen „RechtsEx“ in Betrieb. Bürger können dort Hinweise zu Rechtsextremen und sogenannten Reichsbürgern melden.

Haldenwang warnte vor der Waffenaffinität beider Gruppen. Auch MAD-Chef Gramm sprach von rechten Strukturen und zehn Extremisten in der Bundeswehr, eine Untergrundarmee existiere aber nicht. Die Zahl gewaltbereiter Linksextremisten bezifferte Haldenwang auf rund 9000.

Die Abgeordneten lobten die Dienste dafür, seit einigen Monaten mehr Augenmerk auf die rechte Szene zu werfen. Allerdings nahmen einige Reformen auch erst Fahrt auf, nachdem es zu Skandalen und Anschlägen wie dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gekommen war. Der Linken-Abgeordnete André Hahn erinnerte vor dem Hintergrund auch an Haldenwangs geschassten Amtsvorgänger Hans-Georg Maaßen, dem eine politische Nähe zur AfD nachgesagt wird. Ob Maaßens Aktivitäten dem Verfassungsschutz schaden würden, wollte Hahn wissen. Der habe jahrelang „seine schützende Hand über die AfD gehalten“ und trete aktuell mit mehr oder weniger offen rechtspopulistischen Positionen in Erscheinung. Haldenwang entgegnete: „Ich bin nicht das Kindermädchen von Herrn Dr. Maaßen. Ich habe auch keinen Einfluss darauf, was er tut und wie er sich öffentlich äußert. Manches erstaunt mich auch.“

Neben politischem Extremismus sehen die Geheimdienstchefs Gefahr durch eine mögliche unkontrollierte Rückkehr einzelner kampferprobter Terroristen aus Nordsyrien nach Deutschland. „Noch sind die uns bekannten Kämpfer nach unserem Wissen nicht entkommen“, sagte BND-Präsident Kahl. Auf die Frage, ob eine kontrollierte Rückführung und anschließende Strafverfolgung in dieser Situation nicht besser wäre, antwortete er: „Das liegt im Moment nicht in unserer Hand.“ Der BND sei aktuell operativ nicht in der Lage, so etwas zu organisieren. Haldenwang sagte, in Deutschland gebe es ein Potenzial von 2170 islamistisch-terroristischen Personen. Die Zahl sei im vergangenen Jahr leicht gesunken – könnte wegen der Lage in Nordsyrien aber wieder anwachsen.

Ferner warnten die Dienstchefs, allen voran BND-Präsident Kahl, vor stark zunehmender Spionage ausländischer Geheimdienste – auch über das Internet. Besonders China und Russland, Iran und Nordkorea seien hierzulande aktiv. Kahl warnte in dem Zusammenhang vor zu weitreichenden Befugnissen für den chinesischen Konzern Huawei beim Breitbandausbau in Deutschland. Alle drei Dienstchefs wünschten sich mehr Ressourcen und Befugnisse für ihre Arbeit. Es dürfe „nicht sein, dass nur Kriminelle und Terroristen auf dem neusten Stand der Technik sind und wir als Sicherheitsbehörden aus rechtlichen Gründen uns künstlich blind und taub machen“, mahnte Kahl. Wenn sich beispielsweise ein deutscher Gefährder im Ausland im Aufklärungsbereich des BND bewege und verschlüsselt über sein Smartphone kommuniziere, dürfe der Bundesnachrichtendienst nach geltendem Recht nicht verdeckt in sein Mobiltelefon eindringen, „obwohl ausländische Dienste uns darauf hinweisen, dass die Person in terroristische Aktivitäten oder in die Schleusung von Migranten verstrickt ist“. Hier „sollte auch der BND eine Rechtsgrundlage bekommen, wie sie das Bundeskriminalamt bereits besitzt“, fügte Kahl hinzu.

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