Interview mit Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg: „Laschet ist der Mann der Stunde“

Berlin · Der Richtungsstreit innerhalb der CDU sei nicht neu, werde aber an Schärfe zunehmen, sagt der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg. Mit ihm sprach Daniela Greulich.

 Der Politikprofessor Volker Kronenberg.

Der Politikprofessor Volker Kronenberg.

Foto: Volker Lannert

Herr Kronenberg, wie bewerten Sie den von Annegret Kramp-Karrenbauer angekündigten Rückzug als CDU-Vorsitzende?

Volker Kronenberg: Ihr Scheitern hat nicht nur mit dem Agieren nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen zu tun. Das Problem reicht tiefer. Sie ist letztlich auch an einer ungeklärten Gemengelage innerhalb der Partei gescheitert – im Hinblick auf Personen, aber auch Inhalte und, damit verbunden, Koalitionsoptionen. Die Frage, wie sich die CDU für die Zeit nach Kanzlerin Angela Merkel aufstellt, konnte Annegret Kramp-Karrenbauer nicht beantworten, vielleicht auch, weil Merkel noch Kanzlerin ist. Das Experiment der Trennung von Parteivorsitz und Kanzlerschaft ist krachend gescheitert.

Annegret Kramp-Karrenbauer selbst hat die Ämtertrennung jetzt  auch als Fehler bezeichnet.

Kronenberg: Aber sie ist ja keine politische Novizin, sondern sehr erfahren. Dass sie trotzdem gescheitert ist, liegt sicherlich daran, dass die CDU mitten in einem Prozess ist, der jetzt nach außen auch sichtbar wird und nach Klärungen verlangt. Dabei geht um drei Fragen: Wohin will die CDU mit dem Land? Mit welcher überzeugenden Führungsmannschaft an der Spitze will sie das tun? Und wie geht sie mit der AfD um?

Wie schätzen Sie die Fliehkräfte innerhalb der Partei ein?

Kronenberg: Der Richtungsstreit ist nicht neu, wird aber an Schärfe zunehmen. Die Werteunion als Gruppierung innerhalb der CDU ist dafür nicht zentral. Es geht grundsätzlicher darum, wie sich die Volkspartei CDU in Zukunft aufstellen will. Will sie den Merkel-Kurs mit der Öffnung nach Mitte-links und dem Erschließen neuer gesellschaftlicher Milieus fortsetzen oder will sie ein Stück weit den Aufbruch in die Vergangenheit unternehmen und konservativer werden? Das ist die Grundsatzfrage, auch mit Blick auf mögliche Koalitionen.

Wie sieht es mit dem Verhältnis zu den politischen Rändern aus?

Kronenberg: Ihre Gleichsetzung von Linken und AfD stellt die CDU sicher vor ein strategisches Dilemma. Für diesen Beschluss ist ein Ende absehbar. Bei der AfD, die ja in Teilen durch den Verfassungsschutz beobachtet wird, kann man der CDU nur raten, klare Kante zu zeigen. Aber ihre Argumentation einer „SED 2.0“ greift bei den Linken in Thüringen und einem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow nicht mehr. Aus diesem Dilemma herauszufinden wird Aufgabe der starken Führungspersönlichkeit sein, die die Partei in den nächsten Monaten finden muss.

Wer könnte das sein?

Kronenberg: Es geht ja erst um den Parteivorsitz und dann um die Kanzlerkandidatur. In einer solch turbulenten Phase für die CDU kommt es auf jemanden an, der in hohem Maße integrativ wirken kann – in der Partei, aber auch darüber hinaus, wenn es um Koalitionen geht. Auf jemanden, der einen starken Landesverband im Rücken hat. Der ein gestandener Machtpolitiker ist, der schon Regierungsverantwortung getragen hat. Und wenn man sich diese Kriterien anschaut, läuft alles auf Armin Laschet zu. Er ist natürlich klug genug, sich nicht direkt aufzudrängen.

Und er könnte die Partei zusammenhalten?

Kronenberg: Ja, eindeutig. Er kann mit den so genannten Merkelianern, den Modernisierern, aber auch mit den Konservativen. Er wird in Wirtschaftskreisen inzwischen hoch geschätzt und versteht es vor allen Dingen auch, geräuschlos und effizient das Schlüsselbundesland Nordrhein-Westfalen mit seinen 18 Millionen Einwohnern zu regieren. Das macht er in einer klassischen schwarz-gelben Koalition, und trotzdem ist er für die Grünen ein ganz natürlicher Ansprechpartner. Bei den Fliehkräften innerhalb der Partei muss man integrieren und trotzdem effizient regieren. Da erscheint mir Armin Laschet für die CDU der Mann der Stunde zu sein.

Und was ist mit der Zukunft der großen Koalition?

Kronenberg: Spannend ist, das der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans schon vorauseilend schnell erklärt hat, dass Kramp-Karrenbauers Rückzug keine Auswirkungen auf die Stabilität der großen Koalition hat. Selbst der unzufriedene Koalitionspartner SPD klammert sich jetzt an den Bestand der Regierung. Und die CDU hat nach dem Debakel von Erfurt überhaupt kein Interesse an Neuwahlen. Die Regierung wird bis auf Weiteres Bestand haben. Die Frage ist, ob sich Merkel bis Herbst 2021 halten kann, oder ob die Persönlichkeit, die in den nächsten Monaten gekürt wird, darauf hinwirken wird, ihre Kanzlerschaft vorzeitig zu beenden.

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