Porträt von Karl-Josef Laumann Vom Hauptschüler zum NRW-Gesundheitsminister

Düsseldorf · Karl-Josef Laumann erkämpfte in jungen Jahren ein Jugendzentrum für sein Heimatdorf. Heute geht er als NRW-Gesundheitsminister gegen die Bedingungen in der Fleischindustrie vor.

 Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, bei einem Besuch in Gütersloh im Juni. (Archivfoto)

Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, bei einem Besuch in Gütersloh im Juni. (Archivfoto)

Foto: dpa/Jonas Güttler

Der 1,90 Meter große Hüne trägt einen Atemschutz mit der NRW-Flagge. Sie nervt ihn sichtlich, doch abnehmen kann er sie hier nicht. Er ist ausnahmslos von Menschen umringt, die zur Risikogruppe zählen, Senioren, die vor einem Orangensaft, einer Tasse Kaffee oder einem Glas Sekt sitzen und darauf warten, dass der 63-Jährige ein paar Worte an sie richtet.

Karl-Josef Laumann (CDU) ist der Termin an diesem Morgen in einer Pflegeeinrichtung in Mönchengladbach wichtig. Kaum einer hat damit gerechnet, dass der NRW-Gesundheitsminister zur Einsegnung kommt. Doch für ihn ist es die Chance, ein wenig von der Normalität zu spüren, für die sein Ministerium in den vorigen Wochen gekämpft hat. Alle Corona-Verordnungen stammen aus seinem Hause. Er war es auch, der beim Ausbruch in Heinsberg als erster Vertreter des Landes vor die Kameras trat.

Der Weg des Bauernsohns in die Politik ist ein ungewöhnlicher: Während in den Dörfern der Umgebung ein Jugendzentrum nach dem anderen gebaut wird, sperrt sich die Politik in Riesenbeck dagegen. „Wir haben dann aus der Katholischen Jugend heraus die Junge Union bei uns im Dorf wiederbelebt“, sagt er. Am Ende erringen sie nicht nur einen Sitz im Rat, sondern erkämpfen sich auch das Jugendheim.

In der Ausbildung bei einer Landmaschinenfirma wird er IG-Metall-Mitglied. Nicht ungewöhnlich für einen aus der CDU. „Unsere Ortsgruppe war ziemlich schwarz“, erinnert sich Laumann. Er habe nie den Plan gehabt, Politiker zu werden, sagt er. Für die Kandidatur um das Amt des CDU-Kreisvorsitzenden von Steinfurt muss der damals 28-Jährige überredet werden.

Laumann wird mit 33 Jahren Bundestagsabgeordneter

Mit 33 Jahren zieht er 1990 in den Bonner Bundestag ein, weil sein Förderer, Freiherr Constantin Heereman von Zuydtwyck, für seine Doppelrolle als Bauernpräsident und Abgeordneter kritisiert wurde und dem Jüngeren den Platz überlässt. Laumann fasst schnell Fuß, schon in der ersten Wahlperiode sitzt er im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Der zuständige Minister heißt Norbert Blüm. Heiner Geißler ist Fraktionsvize für Sozialpolitik. „Da habe ich viel gelernt.“

Laumann gefällt die Bundespolitik, auch später in Berlin. Als im Dezember 2004, am Abend nach dem CDU-Bundesparteitag in Düsseldorf, bei ihm das Telefon klingelt, ist er deshalb erst einmal reserviert. Am anderen Ende ist Jürgen Rüttgers. Der will NRW-Ministerpräsident werden, hat aber bislang niemanden, der seine sozialpolitische Flanke schließen könnte. „Das musst Du jetzt machen“, sagt Rüttgers. Laumann zögert. „Ich hatte eine schöne Aufgabe in Berlin, hab mich da sehr wohl gefühlt“, sagt er. Andererseits ist er gerade Bezirksvorsitzender der CDU Münsterland geworden. „Das hätte man mir im Übrigen auch als Kneifen auslegen können.“ Und so sagt er zu – und bekommt „eines der schönsten Ämter, die ich mir vorstellen kann“.

Nach der verlorenen Landtagswahl 2010 geht es darum, wer den Oppositionsführer macht – Armin Laschet oder Laumann. „Wir kannten uns schon seit 1994 aus dem Bundestag und hatten immer einen sehr guten Draht zueinander.“ Laumann setzt sich durch. Das wirft einen Schatten auf ihr Miteinander. „Wenn zwei sich um das gleiche Amt bewerben, dann geht das nicht spurlos an einer Beziehung vorbei“, sagt Laumann. Die Landtagswahl 2012 verliert Norbert Röttgen krachend. Die Partei fällt in eine Art Depression. „Man hätte theoretisch gegen uns die Landesverfassung ändern können“, so Laumann. Laschet wird Landeschef. „Ich blieb erst mal Fraktionschef, aber mir war schon klar, dass das mit der Doppelspitze nicht auf ewig so bleiben konnte.“ In Berlin winkt der Posten des Patientenbeauftragten. „Aber Armin hat mir schon damals in Aussicht gestellt: ,Wenn wir die nächste Wahl gewinnen, dann kommst Du als Arbeits-, Gesundheits- und Sozialminister wieder zurück.’“ So kommt es 2017.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn lobt die Zusammenarbeit mit Laumann

Das bestimmende Thema seiner zweiten Ministerzeit ereilt ihn kurz nach Karneval. „Als das in Heinsberg losging, war mir klar, das wird groß. Auf einmal bekamen die Krankenhäuser dort Probleme.“ Schutzbekleidung ist nicht ausreichend vorhanden. Die Zusammenarbeit mit Laumann sei vertrauensvoll, verlässlich, pragmatisch und von gegenseitigem Verständnis geprägt, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. (CDU). „Wir konnten uns blind aufeinander verlassen, nicht zuletzt, weil wir uns schon 20 Jahre kennen.“ Spahn stammt wie Laumann aus dem Münsterland. Heute bezeichnet Laumann den Fall Heinsberg als lehrreich. „Wir hatten dadurch eine Idee, was uns droht, wenn es großflächiger wird.“

Mit den Urlaubsrückkehrern aus Ischgl wird das Szenario Realität. Es folgt die Stilllegung des öffentlichen Lebens. In dieser Zeit wirkt Laumann mitunter fahrig. Einer, der ähnlich Tacheles redet und einen vergleichbaren biografischen Hintergrund hat, ist der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Josef Neumann: „Wir stammen beide aus der Arbeiterklasse, sind katholisch, Hauptschüler ohne Studium, Gewerkschafter und haben uns in der Politik hochgearbeitet. Das verbindet.“ Auch seien beide sehr emotional, sagt Neumann. In der Debatte um das Pandemiegesetz, mit dem Laumann weitreichende Zugriffsrechte haben will, das aber nach Ansicht vieler Parlamentarier handwerkliche Fehler hat, geraten beide aneinander. „Als ich Karl-Josef ,münsterländische Märchen’ vorgeworfen habe, hat er nicht minder hart zurückgeschlagen.“ Die Debatte sei kaum vorbei gewesen, da habe Laumann neben ihm gestanden und gefragt: „Zwischen uns ist trotzdem alles gut, oder?“ Das sei auch typisch Laumann, so Neumann. „Deshalb respektiere ich ihn sehr.“ Laumann selbst sagt heute, dass er „beim Pandemiegesetz ein wenig übers Ziel hinausgeschossen“ sei.

Den nächsten Adressaten seines Zorns hat er schon ausgemacht: die Fleischindustrie. „,Da ist nur dieser verrückte Halbkommunist Laumann’; so reden die ja über mich“, ätzte er jüngst im Ausschuss über ein Treffen mit Branchenvertretern. Die Corona-Ausbrüche bei Westfleisch in Coesfeld und Tönnies in Rheda-Wiedenbrück bestätigen ihn in dem, was er seit Langem bemängelt, aber gegen Widerstände in der eigenen Partei nicht abstellen konnte: die Lage der Werkvertragsarbeiter. Am liebsten würde er diesen Kampf bis zum Ende durchfechten. Ob er sich eine weitere Amtszeit nach 2022 vorstellen könne. „Ja, ich bin sehr gerne Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales.“

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