Nach Skandalen Von der Leyen feuert Chef-Ausbilder des Heeres

Berlin · Zuerst Pfullendorf, dann Bad Reichenhall, nun Sondershausen: Immer wieder kommen Skandale und Missstände bei der Bundeswehr ans Licht. Ministerin von der Leyen zieht Konsequenzen in der obersten Führungsebene. Viel zu spät, beklagen Kritiker.

 Von der Leyen hatte eine systematische Aufarbeitung der Vorfälle angekündigt.

Von der Leyen hatte eine systematische Aufarbeitung der Vorfälle angekündigt.

Foto: Wolfgang Borrs/NDR/dpa

Erneut sollen Soldaten erniedrigt und gedemütigt worden sein, erneut ist die Rede von Mängeln in der Führung, erneut kommen die Vorfälle sehr spät ans Licht. Nun muss der Chef-Ausbilder gehen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU)hat nach dem Bekanntwerden weiterer Missstände bei der Bundeswehr den Verantwortlichen auf Führungsebene im Heer abgesetzt.

Generalmajor Walter Spindler muss seinen Posten räumen. "Er wird von seinen Aufgaben entbunden", sagte ein Sprecher des Ministeriums am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Das Ausbildungskommando in Leipzig soll demnach künftig durch Brigadegeneral Norbert Wagner geführt werden. Dieser ist derzeit Chef des Ausbildungszentrums im niedersächsischen Munster. Zunächst hatte "Der Spiegel" darüber berichtet.

Hintergrund für die Absetzung Spindlers ist vor allem ein bislang unbekannter Fall von Verfehlungen durch Ausbilder in einer Kaserne im thüringischen Sondershausen. Soldaten hatten sich bereits im Mai 2016 beim Wehrbeauftragten des Bundestags über zwei Hauptfeldwebel beschwert, da diese Kameraden regelmäßig verbal erniedrigt und zu Strafmaßnahmen wie langen Dauerläufen gezwungen haben sollen.

Einer der Hauptfeldwebel soll dem Bericht zufolge geschrien haben, der "genetische Abfall" - gemeint waren die Anwärter - müsse "endlich aussortiert" werden. Andere Soldaten berichteten, sie seien zum kilometerlangem Dauerlauf, teilweise bis zum Zusammenbruch, gezwungen worden. Das zuständige Ausbildungskommando Spindlers ging den Vorwürfen aus Sicht des Ministeriums nicht energisch genug nach.

Ein Sprecher des Verteidigungsministerium sagte dazu, es habe in einer Teileinheit in Sondershausen über einen längeren Zeitraum "Mängel im Führungsstil und Mängel im Führungsverhalten" gegeben. Es gehe etwa um unangebrachte Ausbildungsmethoden und "mangelndes Fürsorgeverhalten der Vorgesetzten". Zwei Unteroffiziere seien nicht mehr in Ausbildungsverantwortung, gegen sie seien gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet.

Ähnliche Vorwürfe gegen Spindlers Ausbildungskommando hatte es nach Vorfällen in der Kaserne in Pfullendorf in Baden-Württemberg gegeben. Soldaten berichteten dort Ende Januar von demütigenden Aufnahmeritualen. Zudem sollen Ausbilder untergebene Soldatinnen zum Tanz an der Stange gezwungen und sie im Intimbereich abgetastet haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung. Auch im Fall Pfullendorf wurden die Beschwerden einer Soldatin vom Ausbildungskommando über Monate verschleppt.

Skandale schaden seit Monaten den Ruf der Truppe. Soldaten berichteten von Erniedrigungen, Strafen und sexuellen Belästigungen. Nach dem Fall Pfullendorf kamen im März Missstände bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall ans Licht. Ein Obergefreiter soll dort sexuell belästigt und genötigt worden sein. Die Staatsanwaltschaft Traunstein ermittelt nicht nur wegen Mobbings und "sexualbezogener Verfehlungen", sondern auch wegen Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Die Vorfälle in Sondershausen seien mit denen in Pfullendorf nicht vergleichbar, sagte der Ministeriumssprecher. Sie hätten aber ein ähnliches Muster.

Von der Leyen hatte eine Aufarbeitung aller Vorfälle angekündigt. Als Konsequenz soll etwa das Meldewesen bei der Bundeswehr gestrafft, die Dienstaufsicht und die Ausbildung verbessert werden, wie das Ministerium Ende März verkündete. In einem neuen Referat im Verteidigungsministerium sollen Angelegenheiten der inneren Lage gebündelt werden. Der Kriminologe Christian Pfeiffer soll diese untersuchen.

SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold kritisierte, die Ministerin habe zu lange gewartet mit der Abberufung Spindlers. Er forderte konsequenteres Handeln bei Gewalt- und Missbrauchsfällen. "Es ist nicht gut, dass es jetzt drei solcher Vorgänge bedarf, bis die Ministerin handelt. Das ist im Kern viel zu spät", sagte Arnold "MDR Aktuell". Man müsse jetzt zügig gegensteuern.

"Es ist nicht damit getan, dass Personen ausgewechselt werden", sagte die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger der Deutschen Presse-Agentur. Der Aufklärungswille müsse in der Truppe gestärkt werden. Von der Leyen habe viel angekündigt. "Wir werden die Ministerin daran messen, ob sie ihren großen Worten Taten Folgen lässt."

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