Kommentar Wahlkampf - Neues aus dem Freistaat

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Parteien die Bundestagswahl weitgehend für gelaufen halten: Dies Wochenende hat ihn erbracht. Der SPD-Kanzlerkandidat philosophiert über prinzipielle Koalitionsmöglichkeiten bei späteren Bundestagswahlen (am Beispiel der Linken), SPD-Chef Sigmar Gabriel will die Mitglieder nach der Wahl befragen, wie's denn dann weitergehen soll.

Und CSU-Chef Horst Seehofer bastelt schon mal am Koalitionsvertrag. Und dabei brüllt der bayerische Löwe so ungeniert durchs Land, als wär er neu im Amt. Bedingungen für Koalitionen? Da lacht sich die Bundeskanzlerin ja jetzt schon schief. Erinnert sich Seehofer nicht daran, wie es der steuersenkenden FDP beim letzten Mal, vor vier Jahren, ergangen ist? Die hat auch gebrüllt so gut sie konnte und und ist dann gelandet als Bettvorleger.

Das Fell des Bären mag man ja bei so klarer Ausgangslage schon verteilen wollen, aber doch nicht die Inhalte des Koalitionsvertrags. Noch dazu, wenn es um ein so durch und durch populistisches Thema geht wie die PKW-Maut. Mag ja sein, dass sich die Bürger ärgern, gerade jetzt zur Urlaubszeit, dass sie fast überall in Europa Autobahngebühren bezahlen müssen. Aber wie kann ein Politiker, den man ernst nehmen soll, vorschlagen, eine solche Maut nur für Ausländer auf deutschen Straßen einzuführen?

Das verstößt so eindeutig gegen EU-Recht, dass man dagegen nicht mal klagen muss. Eine solche Regelung zerfiele von selbst. Aber sie wird es ja gar nicht geben, weil CDU und FDP nicht mitmachen werden. Gilt übrigens auch für Seehofers anderes Thema, den Länderfinanzausgleich und seine Neuregelung. Da brüllt der bayerische Löwe zwar zu recht, ärgert sich über die Belastung des Freistaates und darüber, dass ihm Salonlöwe Wowereit in Berlin auch noch spöttelnd kommt ("arm aber sexy"). Aber Bedingung für einen Koalitionsvertrag? Auch das ist schlichtweg Quatsch. Denn da verhandeln die Länder mit, ein Koalitionsvertrag kann das nicht regeln.

Aber es macht sich ja vermeintlich so gut, wenn man als Ministerpräsident für die Millionen und Milliarden der eigenen Bürger kämpft, sie gegen Raffzähne aus dem außerbayerischen Ausland schützt, so als habe man nicht seit Jahr und Tag Verantwortung für Steuern und Ausgaben und Verschwendung.

Schwamm drüber, ist halt Wahlkampf, könnte man sagen. Wenn es da nicht wesentlichere Themen gäbe! Zu denen aber wird lautstark geschwiegen. Etwa zu der Frage, welche Milliardenbelastung auf die Deutschen wegen der Krise in Euroland nach der Wahl zukommt. Oder wie sie die Folgen der demografischen Entwicklung in den sozialen Sicherungssystemen belasten werden. Da wird auch der bayerische Löwe ganz schnell wieder zu einem einnehmenden Wesen. Seid verschlungen, Milliarden!

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