Analyse Warum die Grünen im Umfragehoch sind

Bonn · Die Grünen erleben in diesen Wochen einen bislang nicht gekannten Zuspruch und werden bereits als kleine Volkspartei gesehen. Das liegt auch an ihren Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck.

 Zwei, die ankommen im Land: Robert Habeck und Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.

Zwei, die ankommen im Land: Robert Habeck und Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.

Foto: dpa

Neulich beim Metzger. Eine Weißwurst-Akademie in Neumarkt in der Oberpfalz. Mitten im bayerischen Wahlkampf. Anton Hofreiter, studierter Biologe, ist nicht angetreten, um Metzger Norbert Wittmann davon zu überzeugen, dass dieser nun auf Brokkoli und Feldsalat umstellen soll. Das muss er auch gar nicht mehr. Denn Wittmann plädiert selbst dafür, dass die Verbraucher weniger Fleisch essen sollen. Wittmann ist für das Ende des Filet-Wahns: „Für den Wandel müssen wir das ganze Tier respektieren und nicht nur sogenannte Edelteile wertschätzen, sondern auch den Schweinebauch.“

Der Metzger und der Grünen-Fraktionschef im Bundestag sind sich schnell einig: Weniger Fleischkonsum bedeute auch höhere Fleischqualität. Wer beim lokalen Metzger gut produziertes Fleisch aus der Region kaufe, tue aktiv etwas gegen den Klimawandel, sekundiert noch eine der Orts-Grünen.

Ob Wittmann an diesem Sonntag die Grünen wählt, ist nicht überliefert. Doch seine Offenheit für grüne Themen steht beispielhaft für den Zulauf, den die Grünen im gesamten Bundesgebiet derzeit erleben. Überall fühlen sich Menschen von den Grünen angesprochen, die sich noch vor Jahren nicht vorstellen konnten, die Partei mit der Sonnenblume im Emblem zu wählen. Galten die Grünen lange Zeit als Partei des höher gebildeten und besser verdienenden Großstädters, haben sie inzwischen längst eine breite Mitte der Gesellschaft erreicht. Landwirte, Hebammen, Feuerwehrleute, Handwerker interessieren sich für grüne Themen und wenden sich von CDU, CSU und SPD ab.

Machtfaktor im Lande

Längst sind die Grünen zu einem Machtfaktor im Lande geworden. In neun von 16 Bundesländern regieren sie mit oder stellen mit Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten. Und schon fragen nicht nur Politologen: Ist die Mitte grüner geworden? Oder sind die Grünen längst in die Mitte gerückt?

Schon werden die Grünen als neue Volkspartei hochgejubelt. Seit Januar führen zwei frische Gesichter die Partei, die draußen gut ankommen. Shootingstar Robert Habeck, Ex-Umweltminister in Schleswig-Holstein, und Annalena Baerbock, Klimaexpertin aus Brandenburg. Baerbock wie Habeck betonen den Grünen-Markenkern – Umwelt, Klima, Ökologie –, schaffen es aber auch, ein bürgerliches Publikum für die Grünen zu interessieren, während sich Union und SPD in der GroKo um fünf Flüchtlinge zoffen, die am Tag an der bayerisch-österreichischen Grenze abgewiesen werden sollen.

Habeck tourt derweil durch das Land und betont, er wolle „die demokratische Mitte reanimieren“, gerade nach Jahren, in denen das Land nach rechts gerückt sei. „Politik ist keine Mengenlehre. Mitte ist da, wo sich die Mehrheit bildet“, hat er noch gesagt. Die Grünen und ihre neue Mitte – das ist bald auch eine Frage neuer Mehrheiten.

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