Merkel - Junker - Schulz Was ist dieser Sieg wert - Womöglich mit Plan B
BERLIN · Kanzlerin Angela Merkel baut vorsichtig vor, falls Jean-Claude Juncker und Martin Schulz keine Mehrheit schaffen.
Natürlich Blumen. Die Farbe? Rot, was sonst - SPD. Martin Schulz, der Spitzenkandidat der deutschen und der europäischen Sozialdemokratie, spricht am Tag nach der Europawahl in Berlin noch einmal von einem Erfolg der Gesamtpartei. "Das ist ein Sieg der SPD", betont der Kandidat.
Nur: Was ist dieser Sieg wert? Bringt er Schulz wie von ihm erhofft an die Spitze der Europäischen Kommission als ihr Präsident? Stärkt er die Stellung der SPD in der großen Koalition in Berlin? Oder kann der Luxemburger Jean-Claude Juncker, Spitzenkandidat der Europäischen Volksparteien, die am Ende mit 28,2 Prozent gut drei Prozentpunkte vor den Sozialdemokraten liegen, triumphieren? Wird am Ende gar ein Dritter Kommissionspräsident, jemand also, der in diesem Europa-Wahlkampf gar nicht für diesen Posten kandidiert hat?
Fragen über Fragen. Antworten bislang: Fehlanzeige. Ein offener Prozess. SPD-Chef Sigmar Gabriel macht gleich deutlich, dass die große Koalition in Berlin jedenfalls nicht darüber entscheiden werde, wer in Brüssel schließlich an die Spitze der europäischen Kommission rücken werde. Diese Entscheidung müsse im Europäischen Parlament (EP) ausgehandelt und getroffen werden.
Was der SPD-Chef - auch in Richtung von CDU-Chefin Angela Merkel - aber sicher sagen kann: Für die Sozialdemokratie wird ihr Spitzenkandidat in Europa, Martin Schulz, die Verhandlungen in Brüssel führen. Und: Gegen die sozialdemokratische Fraktion im EP gebe es nun mal keine Mehrheit bei der Wahl eines Kommissionspräsidenten.
Dass die SPD im Europa-Wahlkampf zuletzt in Zeitungsanzeigen damit geworben hatte, wer wolle, dass ein Deutscher Kommissionspräsident werde, müsse Schulz wählen, daran kann Gabriel nichts Schlechtes finden. Im Gegenteil: Es wäre doch gut, mehr als 50 Jahre nach Walter Hallstein wieder einen Deutschen an die Spitze der Kommission in Brüssel zu bringen. Schulz, wer sonst.
Den Aufschlag wird laut Gabriel aber wohl EVP-Spitzenkandidat Juncker machen. Dieser habe als Kandidat der stärksten Fraktion im Parlament in Straßburg und Brüssel den Auftrag, zu prüfen, ob er eine Mehrheit für seine Wahl organisieren könne. Wohl gemerkt, Juncker habe diesen Auftrag und nicht EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, wie es eine halbe Stunde vor Gabriel CDU-Chefin Merkel mit Verweis auf Regularien im Vertrag von Lissabon ins Gespräch brachte.
Das Verfahren, welcher Kandidat und in welcher Reihenfolge, wird also eine entscheidende Rolle bei der Vergabe des europäischen Spitzenpostens spielen. Gabriel wagt Stunden vor dem Treffen mit Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer im Kanzleramt die Vorhersage: "Ich glaube nicht, dass wir heute Abend außer einer Verabredung über das Verfahren, irgendetwas vereinbaren werden."
Merkel wiederum lässt erkennen, dass sie beim Treffen der Vorsitzenden der Koalitionsparteien "ein europäisches Personalpaket einbringen" werde und betont dazu, dass die Union wie auch die EVP nun einmal "stärkste Kraft" geworden seien. "Welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, werden wir dann in Ruhe besprechen." Aber klar sei auch, dass "nicht einer alleine den Kommissionspräsidenten bestimmen kann".
Merkel jedenfalls will zunächst EU-Ratspräsident Van Rompuy in die Sondierungen mit den Vorsitzenden der Fraktionen im EP schicken. Gibt es womöglich einen Handel? Juncker wird Kommissionspräsident, dafür bekommt die SPD den Posten des deutschen EU-Kommissars. Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok wiegelt ab: "Es ist keine automatische Logik, dass es einer aus der SPD wird."
Was Merkel nicht sagt: Die schwere Schlappe der Schwesterpartei CSU, die bei der Europawahl in Bayern gerade noch 40 Prozent erreichte, beschäftigte die Präsidien und Vorstandsmitglieder der CDU intensiv.
Merkel gab nach Teilnehmerangaben die Losung aus: Öffentlich bitte nicht über die Niederlage der CSU reden. Die CDU-Chefin spricht lieber über das eigene Ergebnis, mit dem ihre Partei "insgesamt zufrieden" sei. An einer Diskussion über das Europawahl-Ergebnis der CSU beteilige sie sich nicht.
Merkel sagt trocken: "Die CSU wird ihr Wahlergebnis selbst analysieren." Womöglich hat Merkel schon einen Plan B in der Tasche, wenn es mit Juncker (und in der Folge auch mit Schulz) als Kommissionspräsident nicht klappe. Die Bundeskanzlerin weicht in ihrer Antwort jedenfalls der Frage aus, ob vielleicht noch ein dritter Kandidat die europäische Bühne betreten werde. Dagegen stehen Gabriel und die SPD, die klargemacht haben: Nur wer für den mächtigsten EU-Posten in Brüssel kandidiert hat, kann auch Kommissionspräsident werden.