Flüchtlinge Welche Pfeile Horst Seehofer im Köcher hat

Berlin · Der CSU-Chef setzt bei Angela Merkel vor allem auf taktische Rücksichtsnahmen statt auf die Wirkung markiger Drohungen

 CSU-Chef Horst Seehofer droht mit Konsequenzen.

CSU-Chef Horst Seehofer droht mit Konsequenzen.

Foto: dpa

Berlin. Um große Worte ist CSU-Chef Horst Seehofer nie verlegen. Nun hat er der Kanzlerin ein Ultimatum gestellt. Bei ihrem Treffen mit ihm am Samstag und tags darauf in der Koalitionsrunde mit SPD-Chef Sigmar Gabriel müsse Merkel ihren Kurs in Richtung Eindämmung der Zuwanderung korrigieren.

Sonst, so die Drohung, müsse Bayern "Notmaßnahmen" ergreifen. Aber hat Seehofer tatsächlich Druckmittel in der Hand, um die Kanzlerin, die bislang keineswegs gewillt scheint einzulenken, zu zwingen? Seehofer scheint das zu glauben.

Verfolgt man die Äußerungen der bayerischen Landesregierung, sieht sich Seehofer offenbar in der Lage, gleich zweifach in die Offensive zu gehen: juristisch und politisch. Allerdings sind die Aussichten juristisch bescheidener als politisch.

Eine Verfassungsklage hätte schlechte Chancen

Der CSU-Chef hat zuletzt mehrfach eine Verfassungsklage gegen den Bund ins Spiel gebracht. Hier sind die bayerischen Chancen aber eher gering. Der Verfassungsrechtler Christian Kirchberg (Karlsruhe), sagte unserer Zeitung, die Anrufung des höchsten Gerichtes wegen des Ansturms von Flüchtlingen in Bayern "dürfte keine Aussicht auf Erfolg haben".

Sollte Bayern im Rahmen eines sogenannten "Bund-Länder-Streits" wegen Verletzung des Grundsatzes des "länderfreundlichen Verhaltens" durch den Bund klagen, hätte die Bundesregierung nämlich gute Argumente. Der Bund, sagt Kirchberg, würde dagegen einwenden, dass es sich um eine Notstandssituation handele, "bei der auch und gerade der Freistaat Bayern hinsichtlich der Registrierung, Weiterleitung und Aufnahme von Flüchtlingen eine außerordentliche Beanspruchung seiner Kapazitäten hinnehmen müsse".

Zudem könne der Bund vertreten, dass er ein Gesetzespaket zur Entlastung der Bundesländer soeben beschlossen habe und auf internationaler Ebene intensiv um eine Lösung des Flüchtlingsproblems kämpfe. "Die Belastung Bayerns kann nicht durch Rechtsbruch gelöst werden."

Das ist aber nicht Seehofers einzige Drohung. Er hat auch die Idee ins Spiel gebracht, die Flüchtlinge künftig einfach in andere Bundesländer weiterzuleiten. Geht das so einfach? Nein, sagt Kirchberg, der auch Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer ist. Die Verteilung richte sich nach dem Asylverfahrensgesetz.

Seehofer muss politische Trümpfe ausspielen

Also wird Seehofer wohl politische Trümpfe ausspielen müssen. Hat er die? In der großen Koalition ist das relative Gewicht der CSU nicht mehr so groß. Will Seehofer etwas bewirken, muss er also ganz große Keulen schwingen. Eine Trennung von CSU und CDU, etwa durch die Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft, hat Seehofer selbst weitgehend ausgeschlossen. Deshalb lassen die Bayern einen anderen angeblichen Geheimplan undementiert - den Abzug der drei CSU-Minister aus dem Bundeskabinett.

Vermutlich setzt der CSU-Chef also gar nicht so sehr auf die ganz große Eskalation. Er glaubt vermutlich - und durchaus nicht zu Unrecht -, dass Merkel ihm schon deshalb entgegenkommen müsse, weil sonst ihre Lage in der CDU schnell kritisch werden könnte. Tatsächlich würde Merkel anderenfalls viele Abgeordnete der Unionsfraktion vor den Kopf stoßen, die sich nicht länger mit Verweisen auf die komplizierte internationale Lage begnügen wollen.

Mitte Dezember findet in Karlsruhe der Bundesparteitag der CDU statt. Eigentlich sollte dort der erste Aufgalopp zur baden-württembergischen Landtagswahl stattfinden - normalerweise also ein Hochamt der Harmonie. Bleibt Merkel aber bei der Haltung, auf nationale Alleingänge zu verzichten - wofür sie durchaus Gründe ins Feld führen kann -, dann dürfte der Parteitag den politischen Vorweihnachtsfrieden mit ziemlicher Sicherheit empfindlich stören.

Auf diesen Zwang zur taktischen Rücksichtnahme setzt Horst Seehofer letztlich wohl stärker als auf die Wirkung markiger Drohungen.

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