Interview Werner Teubler: "Schüler und Lehrer ziehen an einem Strang"

Der langjährige Schulleiter Werner Teubler über die Veränderungen im Abitur und die Anforderungen im Gymnasium

 Werner Teubler.

Werner Teubler.

Foto: ga

Seit 1972 ist Werner Teubler im Schuldienst. Mit dem Leiter des Eitorfer Siegtal-Gymnasiums sprach Bernd Eyermann.

Wie hat sich das Abitur verändert?

Werner Teubler: Das Abitur ist erheblich unaufgeregter geworden, weil die Aufgaben im Zentralabitur allen unbekannt sind - also sowohl den Schülern als auch den Lehrern. Dadurch ziehen alle an einem Strang. Der ganze Unterricht ist konzentrierter geworden und bezieht sich sehr eng auf die Lehrpläne. Alle sind bemüht, das gut vorzubereiten, was in den unbekannten Aufgaben auf einen zukommen könnte.

Der Lehrer hat also weniger Einflussmöglichkeiten als früher, als er selbst die Aufgaben bei übergeordneten Behörden eingereicht hat?

Teubler: Genau. Dadurch bereitet er seine Schüler mehr allgemein vor. Die Aufgaben, die gestellt werden, sind nicht mehr so maßgeschneidert. Sie sind niveauvoll, aber gehen nicht mehr so in die Tiefe wie das früher gewesen ist, als der Lehrer genau wusste, wie die Gruppe aussah, der er die Aufgaben stellte.

Der Vorsitzende des Philologenverbandes, der viele Gymnasiallehrer vertritt, sagt, die Qualität des Abiturs hätte gelitten, die Prüfungen seien leichter geworden. Ist das Abitur leichter geworden?

Teubler: Nein, es ist breiter geworden.

Inwiefern breiter?

Teubler: Man muss in der Vorbereitung mehr Bereiche als früher abdecken. Man kann nicht mehr auf Lücke lernen.

Inwiefern hilft es den Schülern, dass Klausuren aus den Vorjahren bekannt sind?

Teubler: Die werden als Vorlagen genommen und mit den Schülern besprochen. Sehr viele Kurse treffen sich kurz vor den Prüfungen, um noch einmal Gedanken auszutauschen. Dann ist oft auch der Lehrer dabei. Der kann sich da auch einbringen und den Schülern Hilfestellung geben, weil er ja die Aufgaben nicht kennt.

Haben Sie Veränderungen bemerkt, weil die Schüler im Schnitt ein Jahr jünger sind?

Teubler: Ja, das merken wir sehr deutlich. Es machen Kinder Abitur und keine erwachsenen Leute mehr. Anspruchsvolle Aufgaben werden von ihnen nicht so gut erfasst wie von jenen, die ein Jahr älter sind.

Womit hängt das zusammen?

Teubler: Die Abiturienten sind in ihrer Entwicklung noch nicht so weit. Sie erkennen bestimmte Probleme noch nicht, die für einen ein Jahr älteren Schüler geläufig sind.

Kann man daraus schließen, dass es sinnvoll wäre, das Rad zurückzudrehen und wieder das neunjährige Gymnasium einzuführen?

Teubler: Nein, man muss die Aufgaben ändern. Ich halte zwar eine neunjährige Schulzeit am Gymnasium grundsätzlich für die bessere Lösung, aber das Rad zurückzudrehen, halte ich für nicht machbar. Erstrebenswert finde ich eine Reduzierung der Stunden an den Gymnasien, um den Schülern mehr Freizeit zu ermöglichen. Darüber hinaus muss man akzeptieren, dass das Gymnasium nur noch eine Schulform für eine ganz bestimmte Schülergruppe ist.

Für welche?

Teubler: Für jene, die schnell und flüssig lernen und nicht zu lange üben müssen. Das sind am Gymnasium rund 90 Prozent. Die allermeisten davon haben auch eine Empfehlung für das Gymnasium erhalten. Wir machen uns Sorge um die Kinder, die zum Gymnasium flüchten, obwohl die Grundschullehrer ihnen eine andere Schulform empfohlen haben. Die haben bei uns große Schwierigkeiten und in deren Alltag bleibt auch nicht viel Freizeit. Die pauken ohne Unterbrechung, während ein Kind, das für die Schulform Gymnasium geeignet ist, die Aufgaben in kurzer Zeit erledigt hat.

Zur Person

Der 64-jährige Werner Teubler leitet seit 17 Jahren das Eitorfer Gymnasium. Bis vor kurzem war er Sprecher der Gymnasien im Rhein-Sieg-Kreis. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

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