Mehrstufiges Warnsystem der Bundesbehörde Wetterdienst warnte schon am vergangenen Montag vor extremen Niederschlägen

Bonn · Hinweise auf Extrem-Niederschläge gingen über alle Kanäle. Die Warnungen sind laut DWD dann Sache der Krisenstäbe in Kreisen und kreisfreien Städten, die die Situation vor Ort, also zum Beispiel die Topographie, besser einschätzen könnten. Innenminister Reul nimmt die Kommunen in Schutz: Entscheidungen waren richtig.

 Große Teile von Schuld sind durch das Unwetter verwüstet worden. Die Ahr führt in einer Schleife durch den Ort.

Große Teile von Schuld sind durch das Unwetter verwüstet worden. Die Ahr führt in einer Schleife durch den Ort.

Foto: Benjamin Westhoff

Schwere Gewitter und heftige Starkregen – dass die bevorstehenden Unwetter Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz heftig treffen könnten, war dem Deutschen Wetterdienst (DWD) bereits am vergangenen Montag, 12. Juli, klar. Morgens um 6 Uhr gab die Bundesbehörde eine erste Vorabinformation heraus und wies auf „extreme Niederschläge“ in der Region bis Donnerstagmorgen hin. Diese frühe Warnung sei „eher als Alarmierung“ zu verstehen gewesen, sagt DWD-Sprecher Uwe Kirsche. Weitere Berichte folgten. Bereits am Nachmittag legten die Experten per hauseigener Wetter-App, Social Media und Youtube nach, was laut Kirsche für diesen Zeitpunkt ungewöhnlich ist: Dort sprach Meteorologe Tobias Reinartz schon von gebietsweise 60 bis 120 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, lokal seien auch „200 Liter pro Quadratmeter nicht ausgeschlossen“.

Seine Wetterinformationen verteilt der DWD über mehrere Kanäle: Zum einen über einen E-Mail-Verteiler an Einsatzkräfte vor Ort, zum anderen über ein Katastrophenwarnsystem mit Lageberichten und Radarbildern, in das sich 2000 Katastrophenschutzeinrichtungen aus ganz Deutschland einwählen können – von der Berufsfeuerwehr über die Polizei bis zum Deutschen Roten Kreuz und dem THW. Je näher das Wetterereignis rücke, desto präziser würden die Warnungen mit Blick auf Uhrzeit, Raum und Regenmengen, sagt Kirsche. Der DWD rechnet normalerweise sieben Tage in die Zukunft, europäische Warnsysteme sogar 21 Tage. So gehen Prognosen wie die des europäischen Flutwarnsystems Efas in die Vorhersagen der Bundesbehörde ein.

Warnung vor Starkregen und Erdrutschen

Der DWD hat ein mehrstufiges Warnsystem. Nach der Vorabinformation folgte die amtliche Unwetterwarnung laut Kirsche am Montag um 17.55 Uhr und wurde am Dienstagmorgen um 9.40 Uhr weiter präzisiert. Die späteren Katastrophengebiete in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz seien nun rot (Unwetterwarnung, Stufe 3) und lila (Warnung vor extremem Unwetter, Stufe 4) eingefärbt gewesen. Man habe vor Starkregen von gebietsweise 100 bis 150 Litern pro Quadratmeter gewarnt, vor Hochwasser an Bächen und kleineren Flüssen sowie Erdrutschen. Die Unwetterwarnung habe bis Donnerstagmorgen gegolten. Am Mittwoch um 14 Uhr wurde sie noch einmal verschärft: Zu diesem Zeitpunkt seien bereits Niederschläge von 50 bis 100 Litern pro Quadratmeter niedergegangen gewesen, doch man habe vor weiteren 70 bis 120 Litern, örtlich sogar bis zu 160 Litern, gewarnt. „Das sind schon außerordentliche Niederschlagsmengen“, betont Kirsche. Zudem seien diese für ein sehr großes Gebiet und nicht nur punktuell erwartet worden.

Krisenstäbe in Kreisen und kreisfreien Städten

Die Warnungen des DWD lagen also frühzeitig auf dem Tisch. Doch wie ging es dann weiter? Wie wurde gewarnt? Das sei die Sache der Krisenstäbe in Kreisen und kreisfreien Städten, die die Situation vor Ort, also zum Beispiel die Topographie, besser einschätzen könnten, sagt Kirsche. Nachfragen des General-Anzeigers im Kreis Ahrweiler und im Rhein-Sieg-Kreis waren am Montag allerdings noch nicht von Erfolg gekrönt. 

Reul nimmt Kommunen in Schutz

NRW-Innenminister Herbert Reul nahm die Städte und Kreise in seinem Land am Montag in Schutz. „Die Entscheidungen vor Ort sind richtig getroffen worden“, sagte Reul. Er kenne keinen Fall, wo auf Grund zu später Evakuierung Schaden entstanden ist. Ein größeres Problem sei vielfach gewesen, dass Menschen Warnungen nicht ernst genommen hätten und ihr Haus nicht verlassen wollten. Der NRW-Innenminister nahm auch die Bürger in die Pflicht: „Das allergrößte Problem ist nicht, dass irgendeiner an irgendeiner Stelle mal irgendwas falsch oder zu wenig gewarnt hat. Sondern ich glaube, die Befindlichkeit bei uns ist: Wir leben in einer heilen Industriewelt, einer Superwelt – und uns kann nichts passieren. Katastrophen finden irgendwo anders statt. Die gucken wir uns im Fernsehen an.“

Frage nach Information der Bevölkerung

Ein Problem, das auch der Wetterdienst-Experte Kirsche sieht: Man müsse sich jetzt sicherlich fragen, wie man die Bevölkerung besser sensibilisieren und alarmieren könne und welche Handlungsanweisungen es geben müsse. Also: Warnungen per Sirene? Per Handy? Per Radio? Denn mit dem Klimawandel würden Extremwetter häufiger und heftiger auftreten.

„Eher ein 500-Jahre- oder 1000-Jahre-Ereignis“

Allerdings hat dieses Unwetter aus Kirsches Sicht auch alle bisher bekannten und erwarteten Dimensionen gesprengt. Der DWD stellt gerade einen Bericht über die Unwetterkatastrophe zusammen. Eine Erkenntnis: „Das war kein Jahrhundertereignis, sondern eher ein 500-Jahre- oder 1000-Jahre-Ereignis“, sagt Kirsche. Solche Ereignisse seien extrem selten und es sei extrem schwierig, sich darauf vorzubereiten.

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