Klimawandel als Auslöser Wissenschaftler alarmiert über neues Waldsterben

Berlin · Der Klimawandel hat laut Wissenschaftlern ein neues Waldsterben in Deutschland ausgelöst. Neben Stürmen und großer Trockenheit setzten auch Laub- und Nadelfresser den Bäumen zu.

 Ein abgestorbener Baum am Zufahrtsweg zur Naturschutzinsel Koos in Schleswig-Holstein.

Ein abgestorbener Baum am Zufahrtsweg zur Naturschutzinsel Koos in Schleswig-Holstein.

Foto: dpa/Jens Büttner

Peter Gaffert hat ein Foto mitgebracht. Es zeigt einen Auszug des aktuellen Fichtenwaldbestandes im Harz. Hätte Gaffert, Oberbürgermeister der Harz-Stadt Wenigerode, dasselbe Waldstück vor zwei oder drei Jahren ablichten lassen, der Wald hätte noch grün geleuchtet. Aber jetzt, nach zwei Hitzesommern mit großer Trockenheit und einem ersten Halbjahr mit wenig Regen, sind die Fichten einfach nur „grau“. Trauriger Wald mit viel Totholz im Tourismusgebiet Harz.

Gaffert hat sich mit Michael Müller, der eine Professur für Waldschutz an der TU Dresden hat, und dem Forst-Professor Andreas Bitter, Vorsitzender des Programmes für die Anerkennung von Waldzertifizierungssystemen (PEFC), auf den Weg nach Berlin gemacht, um über eine neue Art Waldsterben in Deutschland zu berichten. Dagegen erscheine das „erste Waldsterben“ vor 40 Jahren im Rückblick vergleichsweise harmlos, so Müller. Nach Einschätzung der beiden Wissenschaftler setzen Hitze, Dürre und Sturm dem Wald mittlerweile gewaltig zu. Waldschutz-Professor Müller sagt: „Der ohnehin schon geschwächte Wald trifft auf die vielleicht größte globale Herausforderung, die Menschen und Natur seit der letzten Eiszeit bewältigen müssen: den Klimawandel.“

OB Gaffert verweist darauf, dass 2018 und 2019 nur etwa 50 Prozent der sonst üblichen durchschnittlichen Niederschlagsmenge gefallen seien. Und bis April dieses Jahres habe es auch kaum geregnet. Kurz: Der Wald hat Durst. Neben Stürmen und großer Trockenheit setzten auch Laub- und Nadelfresser den Bäumen zu, wie etwa der Borkenkäfer der Fichte. Viele Wald- und Forsteigentümer hätten wegen des Tot- und Bruchholzes massive wirtschaftliche Einbußen. Wo sie vor der Krise noch etwa 90 Euro für einen Kubikmeter Fichte bekommen hätten, habe man heute „Schwierigkeiten, 30 Euro zu kriegen“, so Bitter. Den Waldbesitzern fehlten Einnahmen aus dem Holzverkauf, dem Ökosystem wiederum Waldflächen, um Kohlendioxid zu binden. Wegen der großen Geschwindigkeit und des Ausmaßes der Klimaveränderung sei es unabdingbar, eine nächste Generation Wald mit klimaresistenten Bäumen aufzubauen, die es bisher im deutschen Wald nicht oder kaum gebe.

Dazu zählten etwa Roteiche und Douglasie (Nordamerika) oder auch Robinie (Europa), die alle drei Trockenheit gut vertragen würden, betont Bitter. Aber auch „Libanon-Zeder“ oder „Aleppo-Kiefer“ könnten Teil eines Mischbestandes für die nächste Generation Wald sein. Wollte man den Waldbestand verjüngen, schaffe dies neue Probleme, weil dann dort Flächen vergrasten und in diesem Gras neuer Lebensraum für Mäuse entstehe. „Gras, Maus, Aus“, spielt PEFC-Vorsitzender Bitter auf Schwierigkeiten an, wegen „entsprechender Mäusepopulation einen neuen Waldbestand zu etablieren“. Bislang sei die Waldpflege beinahe allein aus den Holzerlösen bezahlt worden. Doch weil der Markt für Holz quasi zusammengebrochen sein, sei dies kaum mehr möglich.

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