Sehnsucht nach „Tag X“ Wo ist der Ausweg aus der Corona-Krise?

Berlin/Düsseldorf · Ausgerechnet in der riskanten Frage nach einem Aufheben der Schutzmaßnahmen prescht NRW-Ministerpräsident Armin Laschet nun nach vorn – ganz zum Missfallen der Bundeskanzlerin. Die wollte eine Debatte zu Ostern eigentlich verhindern.

 Sind sich uneinig: Bundeskanzlerin Angela Merkel (l.) sowie die Ministerpräsidenten Armin Laschet (Mitte) und Markus Söder (r.). Die Aufnahme zeigt sie bei einem Gespräch vor den Ausgangsbeschränkungen Mitte März.

Sind sich uneinig: Bundeskanzlerin Angela Merkel (l.) sowie die Ministerpräsidenten Armin Laschet (Mitte) und Markus Söder (r.). Die Aufnahme zeigt sie bei einem Gespräch vor den Ausgangsbeschränkungen Mitte März.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Genau das wollte die Bundeskanzlerin eigentlich verhindern: Eine Debatte zu Ostern über eine Lockerung der scharfen Corona-Maßnahmen. Aber NRW-Ministerpräsident Armin Laschet drängt nun nach vorn. Er sieht darin eine Chance, den Menschen Hoffnung zu geben. So lässt er seinen Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (alle CDU) die Kliniken auf einen möglichen Ansturm am „Tag X“ vorbereiten und versucht zugleich, die „schrittweise Rückkehr zur Normalität“ einzuleiten.

Schon als das ganze Land vor drei Wochen runtergefahren wurde, hatte es nach einem Wettlauf zwischen Laschet und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ausgesehen, wer am schnellsten vorangeht. Dass Merkel so etwas für unsolidarisch hält und ein ähnliches Szenario bei der Rückkehr ins normale Leben nun verhindern will, ließ sie in ihren eindringlichen Appell zur Disziplin über die Osterfeiertage mit einer Art Machtwort einfließen. Angesprochen auf Laschets Forderung nach einer offenen Debatte über ein Ausstiegs-Szenario stellte sie klar: „Als Bundeskanzlerin habe ich bei allem Respekt vor jeder Meinung (…) eine übergeordnete Verantwortung.“ Sie wolle nicht erleben, dass Ärzte entscheiden müssten, wer das Beatmungsgerät zur Lebensrettung bekomme und wer nicht. Diese Verantwortung dafür, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird, „muss und kann mir keiner abnehmen“. Ihre Rolle sei, „das zu sagen, was ist“.

Merkel könnte eine schrittweise Aufhebung der Kontakteinschränkungen davon abhängig machen, ob die Bürger ausreichend mit Atemschutzmasken versorgt werden. Die Öffnung von weiteren Geschäften hänge maßgeblich davon ab, wie viele Schutzmasken verfügbar seien, zitierte der „Spiegel“ am Freitag ein Mitglied der Forschergemeinschaft Leopoldina. „Die Maske muss zum sozialen Standard werden“, wurde ein Forscher zitiert.

Merkel hatte erklärt, dass das bis Dienstag erwartete Leopoldina-Gutachten eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über Lockerungsschritte spiele. Am Mittwoch wollen die Ministerpräsidenten mit Merkel über die nächsten Schritte beraten. Zu Vorschlägen, nach den Osterferien Schulen wieder zu öffnen, zeigte sich Merkel skeptisch.

Noch lässt Laschet nur wohldosiert nach außen dringen, wie er sich den Ausstieg vorstellt. So deutete er eine Öffnung kleinerer Einzelhandelsgeschäfte an, auch Teile der Gastronomie, wenn klare Abstandsregeln zwischen den Tischen eingehalten würden, sagte er dem „Handelsblatt“. Für seine Exit-Strategie hat Laschet einen „Expertenrat Corona“ ins Leben gerufen, der bis spätestens Mittwoch konkrete Vorschläge erarbeiten soll. Einer der Berater ist der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt: „In den vergangenen Wochen war das Herunterfahren unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens noch unverzichtbar“, sagte der Präsident des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung unserer Redaktion. „Nun sollte umgehend eine Phase der wachsamen Normalisierung aufgenommen werden.“ Dazu müsse man vor allem auf individuelle Schutzmaßnahmen setzen. Es solle vor allem darum gehen, am Arbeitsplatz und beim Konsum Sicherheitsabstände und Hygienestandards zu gewährleisten. Flankiert werden müsse dies zwingend „durch eine staatlicherseits orchestrierte Strategie des massiven Testens“, die noch über Monate durchzuhalten sei.

Überlegungen zu einer Exit-Strategie anzustellen, heiße nicht, dass diese gleich in den nächsten Tagen kommen könnten oder sollten, betonte der CDU-Fraktionschef im Landtag, Bodo Löttgen. Vieles hänge davon ab, wie sich die Infektionszahlen über Ostern entwickelten, „denn unser Land darf nicht durch zu schnelle und zu weitgehende Lockerungen wieder zurückgeworfen werden.“ Auch Mona Neubaur, Grünen-Chefin in NRW, begrüßte die grundsätzliche Diskussion: „Wir sind ohne eine Plan in diese Krise gestolpert – es ist zwingend erforderlich, dass wir sie mit einem Plan verlassen.“ Zugleich warnte sie die Union vor einem überhasteten Vorgehen: „Armin Laschet und Markus Söder haben sich bereits einmal in dieser Krise einen Überbietungswettbewerb geliefert. Es wäre falsch, wenn sich dasselbe Spiel jetzt bei den Exit-Strategien wiederholt.“

Die Bundeskanzlerin versicherte abschließend noch: „Ich wäre gern und wirklich mit Freude die Erste, die Ihnen sagen würde: Es ist alles, wie es war, und wir können wieder loslegen.“ Aber, mahnte sie, „so ist es eben nicht“. Zu Ostern schon gar nicht.

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