Kommentar zur Fragestunde im Bundestag Würdelos

Meinung | Berlin · Warum macht sich das Parlament so klein vor der Regierungschefin? Es leidet an seinem Bedeutungsverlust und unterstreicht ihn auch noch selbst mit der Fragestunde, kommentiert GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beantwortet erstmals im Rahmen einer Fragestunde im Bundestag die Fragen der Abgeordneten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beantwortet erstmals im Rahmen einer Fragestunde im Bundestag die Fragen der Abgeordneten.

Foto: dpa

Der Bundestag leidet unter einer gewissen Missachtung durch die Bundesregierung. Er will wieder relevanter und spannender werden. Diese Idee stand hinter der Fragestunde, der die Kanzlerin sich gestern das erste Mal stellte. Hat das Parlament seine Chance genutzt?

Von Schlagabtausch konnte jedenfalls nicht die Rede sein. Merkel arbeitete die 30 Fragen in gut 60 Minuten souverän ab, ging über Unter-, Neben- und Seitenfragen großzügig hinweg, ignorierte die bisweilen haarsträubenden Unterstellungen, die vor allem AfD und Linke nicht lassen mochten. Sie hatte die Sache jederzeit im Griff. Das Glatteis der Politik ist ihr natürlicher Aufenthaltsort. Es zeugt von nassforscher Naivität, wenn ein AfD-Abgeordneter die Forderung nach einem Rücktritt Merkels erhebt. Ernst zu nehmen sind solche Mätzchen nicht.

Am Ende bleibt der Zweifel, ob sich der Bundestag mit dem Format einen Gefallen tut. Es leidet unter einer Krankheit, die auch alltägliche Podiumsdebatten gerne befällt. Die Fragesteller halten Koreferate, stellen Suggestivfragen, deren Bedeutung nur sie selbst zu erkennen vermögen, loben sich selbst oder die eigene Partei und wissen es schon vorher besser.

Detailverliebtheit

Außerdem war da eine gewisse Detailverliebtheit. Jede Partei hat ihre Themen und ihre Rhetorik. Es waren natürlich auch die Stichwortgeber an der Reihe, die Vorlagen gaben, damit die Kanzlerin glänzen konnte. So ging es querbeet durch alle politischen Themen, ohne dass auch nur eine einzige Frage zu einer wirklich erhellenden Antwort führte oder echten Erkenntnisgewinn brachte. Aber so ist es in der Politik ja meistens. Auf der Bühne gelten ganz andere Regeln als hinter verschlossenen Türen.

Chance vertan? Die Idee einer Fragestunde ist an sich ja gar nicht schlecht. Es sollte jedoch klar sein, was das Parlament mit diesem Format überhaupt erreichen will. Mehr Leben ins Parlament und in die Debatte? Ja sicher! Aber wenn die Sache dann so spannend ausgeht wie eine ganz normale Pressekonferenz am Ende eines Staatsbesuchs, dann ist das einfach zu wenig.

Wenn das Parlament die Regierung zum Reden bringen will, muss es sich besser vorbereiten und auf wesentliche Themen konzentrieren. In der Summe war die Aktion gut gemeint, aber ein Fehlschlag. Die Abgeordneten blieben weit unter den Möglichkeiten, die ein Parlament haben sollte. Es wirkte fast ein wenig würdelos, wie die Fragen an der Kanzlerin abperlten; immerhin Fragen des höchsten Souveräns dieser Republik.

Warum macht sich das Parlament so klein vor der Regierungschefin? Es leidet an seinem Bedeutungsverlust und unterstreicht ihn auch noch selbst mit der Fragestunde. Die Verantwortlichen in den Fraktionen und in der Regierung müssen sich fragen, wie dieses ernste Problem unserer Demokratie gelöst werden kann. Eine Fragestunde ist jedenfalls kein Beitrag dazu.

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