Gesellschaft Zehn Jahre Gesetz gegen Diskriminierung: Ruf nach Reformen

Berlin · Es ist eine Erfolgsgeschichte mit Mängeln: Das "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" hat seit 2006 einiges auf den Weg gebracht. Nun fordern aber auch seine Fans eine Generalüberholung.

 "Viele Menschen, die sich diskriminiert fühlen, scheuen sich, als Einzelpersonen durch alle Instanzen zu gehen", sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Hasselmann.

"Viele Menschen, die sich diskriminiert fühlen, scheuen sich, als Einzelpersonen durch alle Instanzen zu gehen", sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Hasselmann.

Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes gegen Diskriminierung wird die Forderung nach einer umfassenden Reform laut. "Der Schutz vor Benachteiligungen muss effektiver werden", sagte Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, in Berlin.

Für die Betroffenen müsse es leichter werden, das Recht auf Gleichbehandlung durchzusetzen. Unter anderem wird ein Verbandsklagerecht gefordert. Widerstand kommt prompt von der Union.

Ungeachtet des Reformbedarfs sei das "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" (AGG) ein Meilenstein und eine Erfolgsgeschichte, sagte Lüders. Mehr als 15 000 Menschen hätten sich seit 2006 an die damals geschaffene Antidiskriminierungsstelle gewandt. Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, wegen einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu bekämpfen.

Nach einem am Dienstag vorgelegten Expertengutachten müssten dringend die Fristen erweitert werden, in denen Betroffene ihre Ansprüche geltend machen können. Statt bisher zwei Monate sollten sie dafür sechs Monate Zeit haben. Ein Klagerecht für Verbände sei notwendig, weil viele Betroffene vor den Belastungen eines Gerichtsverfahrens zurückschreckten.

Sexuelle Belästigung sollte künftig nicht nur am Arbeitsplatz, sondern in allen Lebensbereichen verboten sein, fordern die Experten um die Oldenburger Professorin Christiane Brors. Nachgebessert werden müsse auch der Schutz vor Diskriminierung für Fremdpersonal, etwa bei Werkverträgen und Subunternehmen. Der Gesetzgeber sollte auch klarer formulieren, welche Pflichten ein Arbeitgeber hat, um Diskriminierungen zu verhindern.

Innerhalb der Parteien ist die Forderung nach einem Verbandsklagerecht umstritten. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Hasselmann, sprach sich im Radiosender NDR Info dafür aus. "Viele Menschen, die sich diskriminiert fühlen, scheuen sich, als Einzelpersonen durch alle Instanzen zu gehen", sagte sie zur Begründung.

Für die Linke forderte die frauenpolitische Sprecherin Cornelia Möhring darüber hinaus ein eigenständiges Klagerecht sowie weitere Auskunfts- und Kontrollrechte für die Antidiskriminierungsstelle. Dagegen lehnte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Fuchs, die Möglichkeit einer Verbandsklage ab. Im ARD-"Morgenmagazin" sagte er: "Ich bin dagegen, dass wir eine Art Sittenpolizei in Deutschland aufbauen." Wenn jemand Recht suche, dann könne er zu einem Anwalt gehen und klagen.

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