Protestantentreffen in Dortmund Zehntausende bei evangelischem Kirchentag

Dortmund · Zum dritten Mal findet das große Protestantentreffen in Dortmund statt. Unter dem Motto „Was für ein Vertrauen“ soll es bis zum Sonntag 2399 Veranstaltungen geben. Auch Bundespräsident Steinmeier ist vor Ort.

Zehntausende Menschen mit grünen Schals bevölkern die Innenstadt. Posaunen erklingen, Chöre singen, Pfadfinder in grüner Kluft regeln die Besucherströme. Es ist wieder Kirchentag. Zum dritten Mal nach 1963 und 1991 findet das große Protestantentreffen in Dortmund statt. Unter dem Motto „Was für ein Vertrauen“ soll es bis zum Sonntag 2399 Veranstaltungen geben, von Vorträgen und Workshops über Diskussionsforen bis hin zu Gottesdiensten und Bibelarbeiten.

„Die Vertrauensfrage stellte sich für den Dortmunder Kirchentag nicht von ungefähr“, sagt die westfälische Präses Annette Kurschus am Mittwochabend in ihrer Eröffnungspredigt. „Junge Menschen haben sie ins Spiel gebracht.“ Sie würden ahnen: Ohne Vertrauen lasse sich nicht leben. Und sie spürten: Vertrauen schwinde. Die Klimakrise, das Sterben der Flüchtlinge im Mittelmeer sowie Fake News und Hassparolen im Internet erschütterten die Fundamente der Gesellschaft. Der Kirchentag wolle sich die Frage stellen, wie zerstörtes Vertrauen wieder wachsen könne.

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier greift in seiner Eröffnungsansprache das Motto auf: „Unser ganzes Land ist auf Vertrauen gebaut. Wir dürfen nicht hinnehmen, wenn dieses Vertrauen bröckelt, wenn Wut oder Frust oder Gleichgültigkeit sich breit machen.“ In seiner Rede wendet sich Steinmeier mehrfach deutlich gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus. „Kein Jude, keine Jüdin soll sich fürchten müssen, auf deutschen Straßen Kippa zu tragen!“, sagt der Bundespräsident. Zudem fordert er eine schnelle Aufklärung des Mords am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. „Schon der Verdacht, dass jemand, der für diese Demokratie gearbeitet hat, hingerichtet wird durch einen politischen Mord“, der von einem Rechtsextremisten begangen wurde, sei „furchtbar und unerträglich“.

Am Mittag bereits hat der Präsident des Dortmunder Kirchentags, der Journalist Hans Leyendecker, das Protestantentreffen ebenso ein „Glaubensfest“ wie einen „politischen Kirchentag“ genannt. Was so eine Veranstaltung bewirke? „Ich kehre an Leib und Seele gestärkt in meinen Alltag zurück“, sagt Leyendecker. „Der Kirchentag ist für viele Menschen ein Basislager.“

Auch Leyendecker ruft zum Eintreten gegen Resignation und Rechtspopulismus auf. Doch das Protestantentreffen kennt noch viele weitere Themen: Am Fronleichnamstag beispielsweise ist der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, zu Gast, um für die Aufnahme von Mittelmeerflüchtlingen in Europa zu werben. Leyendecker sagt: „Vielleicht schaffen wir es ja, ein Signal zu setzen, das gesehen wird und die Herzen und die Häfen öffnet.“

Vertrauen verloren hat der Kirchentag allerdings bei seinen Teilnehmern: Ganz offensichtlich wirkt Dortmund auf die Protestanten nicht besonders attraktiv – nur rund 80 000 Dauerteilnehmer sind in diesem Jahr angereist, weniger als in vergangenen Jahren. Vor allem die Gruppen aus den Kirchengemeinden sind Mangelware. Generalsekretärin Julia Helmke sagt, manche Pfarrer könnten wegen Überlastung nicht mit einer Gruppe zum Kirchentag reisen.

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