Kommentar zu den Jamaika-Sondierungen Zeit und Nerven

Meinung | Berlin · Die Ergebnisse, die die Jamaika-Sondierer bislang erzielt haben, fallen gering aus. Dabei könnte eine mögliche Koalition der vier Parteien eine Balance zwischen Tradition und Morderne bringen, findet unser Autor.

 Freundliches Lächeln, aber bislang nur wenige Ergebnisse: Die Jamaika-Sondierer in Berlin.

Freundliches Lächeln, aber bislang nur wenige Ergebnisse: Die Jamaika-Sondierer in Berlin.

Foto: dpa

Ein weißes Blatt. Doch mit dem Zeitdruck finden die Jamaika-Akteure langsam Essenzen für Kompromisse. Es wird verhandelt und geredet, Maximalforderungen werden abgespeckt. Der Soli kann jetzt auch in Stufen abgeschafft, der Verbrennungsmotor muss nicht mehr Punkt 2030 abgeschaltet werden. Das ist reichlich wenig nach drei Wochen Verhandlung. Aber das soll jetzt ja besser werden, geloben die Koalitionspartner in spe.

Die CSU hat ihren Parteitag auf kurz vor Weihnachten verschoben, weil Parteichef Horst Seehofer Zeit gewinnen will. Die Grünen haben ihre Bundesdelegiertenkonferenz ebenfalls neu terminiert. In zwei Wochen sollen deren Delegierte sagen, ob die Grünen-Unterhändler nun konkret über eine Koalition mit CDU, CSU und FDP verhandeln sollen – oder eben nicht. Sondierungen kosten Zeit und Nerven. Unterhändler sprechen gar vom Verstoß gegen die Arbeitszeitordnung , was ihre Verzweiflung zeigt. Viel Zeit abgesessen, wenig erreicht. Die öffentliche Zustimmung für Jamaika sinkt. Wo sind nur die Gemeinsamkeiten?

CDU, CSU, FDP und Grüne – vier Parteien, vier Programme und womöglich kein gemeinsames Ziel. Denn festzustellen ist, dass CSU wie FDP nicht mit dem allergrößten Tempo Richtung Jamaika streben und ihre Unterhändler auch die lautesten Nebengeräusche produzieren. Die CDU wie auch die Grünen vermeiden bislang Störmanöver. Doch immer noch melden die Wasserstandsbeauftragten der vier Parteien: Ergebnis offen, Chancen für Scheitern oder Gelingen: 50:50. Die Zeit läuft. Bis kommenden Freitag sollen die Gemeinsamkeiten auf dem Tisch liegen – wenigstens aber jene gemeinsame Erkenntnis, dass die Schnittmenge nicht groß genug ist, um Koalitionsverhandlungen zu wagen. Migration, Flüchtlinge, Klimaschutz, Energiewende sind die echten Knackpunkte dieser Vierergespräche.

Kein Versprechen für die Zukunft

Aus CDU, CSU, FDP und Grünen wird sicher keine verschworene Viererbande, aber vielleicht doch eine solide arbeitende Koalition. Mehr muss es auch nicht sein. Die großen Schwüre geben sich Parteien auf ihren Parteitagen – , zum Justieren des eigenen Kompasses. Jamaika ist kein Projekt, kein Versprechen für die Zukunft. Wenn, dann wird Jamaika ein Arbeitsbündnis, das im besten Fall zwei bis drei größere Reformvorhaben anschiebt. Die Altersversorgung muss wegen des demografischen Wandels zukunftsfest gemacht werden, doch daran haben sich schon zwei schwarz-gelbe, eine rot-grüne und zwei große Koalitionen mit überschaubarem Erfolg versucht.

Die Menschen wollen Arbeit, bezahlbaren Wohnraum, ein verlässliches Gesundheitssystem, Sicherheit und Frieden in einem berechenbaren Umfeld. Nichts davon ist per Naturgesetz gegeben. Jamaika könnte eine Balance zwischen Tradition und Moderne finden. Das ist allemal besser als Neuwahlen bis das Ergebnis passt.