Kommentar zur Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund Zurück zum Normalen

Meinung | Bonn · Neue Statistiken tragen ihren Teil zur laufenden Integrationsdebatte bei. Abseits aller Zahlen sollte man bei der Diskussion jedoch auch die Menschen betrachten, für die Integration gelebter Alltag ist, findet Helge Matthiesen.

 Eine neue Statistik über Migration liefert Stoff für die Integrationsdebatte.

Eine neue Statistik über Migration liefert Stoff für die Integrationsdebatte.

Foto: picture alliance/dpa

Statistiker pflegen ein sehr sachliches Verhältnis zu Zahlen. Sie haben jetzt herausgefunden, dass 19,3 Millionen Menschen in Deutschland mindestens ein Elternteil haben, das nicht in Deutschland geboren ist. Das sind mehr Menschen als Nordrhein-Westfalen Einwohner hat. Es sind auch mehr Menschen als jene, die zwei bayerische Elternteile vorweisen können. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung und an der Gesellschaft wächst, während die Zahl der Menschen mit nur deutsch geborenen Eltern zurückgeht, langsam aber stetig.

Die öffentliche Debatte rund um dieses Thema von Zuwanderung, Flucht und Integration ist von nüchterner Sachlichkeit weit entfernt. Dabei legt der Befund eigentlich nahe, zur Sache zurückzukehren. Die Zahl sagt: Das Miteinander von Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft in Deutschland ist der funktionierende Normalfall. Man heiratet, gründet Familien, pflegt Verwandtschaft und Nachbarschaft, arbeitet gemeinsam und kauft beim jeweils anderen ein.

Integration ist bei der weit überwiegenden Zahl dieser Menschen Normalität – mal mehr und mal weniger, mal mit besseren Deutschkenntnissen und mal ganz ohne. Es wäre doch eine gute Gelegenheit, wenn sich die ganze Migrationsdebatten einmal diesen Menschen zuwenden würde. Stattdessen macht sie die extremen Fälle und die Probleme zum Maßstab für alle und alles. Zurück zur Sachlichkeit und zu einem wohlwollenden Miteinander. Denn ohne Wohlwollen wird es nicht gehen. 19,3 Millionen Menschen sind aus Deutschland nicht wegzudenken, wie es mancher anscheinend gerne hätte.

Die Zahl und ihre Entwicklungsrichtung markiert jedoch auch die Herausforderung für die Zukunft. Das Thema Integration bleibt ganz oben auf der Tagesordnung. Das Miteinander muss dringend verbessert werden, das Verständnis füreinander und die Durchlässigkeit der Bildungs- und Berufswege. Nur so wird es gelingen, dass auch alle sich als Teil des Ganzen fühlen können. Das ist unverzichtbar für ein friedliches Gemeinwesen.

Niemand darf erwarten, dass dieser Prozess schnell geht, ohne Konflikte läuft und nicht Kompromisse von allen fordern würde. Deutschland verändert sich mit den Menschen, die hierherkommen. Die Politik muss endlich anfangen, diesen Prozess offensiv zu gestalten. Mancher denkt jetzt an Quoten und tritt damit doch nur an, die Unterschiede wieder stark zu machen. Andere träumen von Multikulti, was den gleichen Effekt hat.

Den Schlüssel zum Erfolg kennt letztlich niemand. Am Ende kommt es auf die Haltung an, mit der wir alle Gesellschaft bauen. Gelassenheit und ein langer Blick nach vorne helfen dabei ganz gewiss. Die Politik muss wieder stärker führen. Sonst überlässt sie das Feld den Scharfmachern, die mehr zerstören als aufbauen.

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