Die Affäre Wulff: Da passt was nicht

Helmut Kohl hat abseits der Einheit das große Verdienst, einen wesentlichen Lehrsatz der Politik formuliert zu haben: Entscheidend ist, was am Ende (er hat gesagt: hinten) rauskommt.

Nimmt man diesen Satz zum Maßstab und fragt sich, ob es in der Geschichte der Bundesrepublik, ihrer Affären und Skandale, Rücktritte gegeben hat, die im Kern nicht berechtigt waren, lautet die Antwort: Nein. Anders formuliert: Die Bürger (auch die Medien) haben ein gutes Gespür dafür, was sich gehört und was sich nicht gehört. Nochmals anders formuliert: Wo es keine Fehler und kein Versagen gibt, da kann man sie auch niemandem vorwerfen.

Auf den Fall Christian Wulff angewendet, heißt das: Hätte dieser Politiker, zunächst in seinem Bundesland, dann als Bundespräsident, nicht Fehler gemacht, gäbe es keine Debatte. Der Kern der Krise ist er selbst. Niemand sonst. Je öfter er sich zu Wort meldet, desto stärker wird das Gefühl: Da stimmt was nicht, zumindest: Da passt etwas nicht.

Was stimmt nicht? Zum Beispiel dieses: Die Darstellung des Bundespräsidenten über seine Drohanrufe im Springer-Verlag stimmt nicht überein mit den Darstellungen aus dem Konzern. Den Rubikon überschreiten, den Krieg erklären, die Beziehung abbrechen ist etwas anderes, als um die eintägige Verschiebung einer Veröffentlichung zu bitten. Wulffs Veröffentlichungs-Veto heizt die Spekulation nur an. Anderes Beispiel: Wenn es so wäre, wie Wulff sagt, dass er einen normalen Kredit in Anspruch genommen habe bei seiner Hausfinanzierung, würde sich niemand darüber aufregen.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Hinzu kommen unerträgliche Bezüge zwischen der Person und bestimmten Begriffen. Auch ein Bundespräsident, sagt Wulff, muss Freunde haben dürfen. Wer würde dem widersprechen? Auch ein Bundespräsident muss Geschenke annehmen dürfen? Schlimm, wenn es anders wäre.

Und dann ganz unerträglich das ganz große Kaliber: Auch für einen Bundespräsidenten gelten die Menschrenechte. Christian Wulff - ein Fall für amnesty international? Im Ernst: Wulff muss sich über die Häme im Internet nicht aufregen. Er hat sie verursacht.

Da stimmt was nicht, da passt was nicht. Nämlich genau das, was am Anfang schon der Verdacht war - und was sich jetzt auf zum Teil brutale Weise bestätigt: Der Mann passt nicht zum Amt. Bundespräsident. Höchste moralische Autorität in diesem Land, lässt man die Kirchen mal weg. Nachfolger von Theodor Heuss, Richard von Weizsäcker, Gustav Heinemann, Johannes Rau - um nur einige zu nennen. Das Amt, sagt Wulff, sei schwieriger geworden. Das liegt nicht am Amt, sondern am Amtsinhaber. Ohne Angela Merkel wäre Wulff nicht in diesem Amt. Jetzt hat sich die Lage gedreht: Ohne Wulff wäre Merkel gefährdet. Und deshalb bleibt er. Tragisch. Das dicke Ende kommt noch.

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