Nach dem Dieselskandal Die Deutschen verlieren die Lust am Diesel

Bonn · Der Marktanteil von Dieselautos in Deutschland ist auf niedrigstem Stand seit 54 Monaten. Ford verkauft gegen den Trend mehr Modelle mit Selbstzünder.

Dieselmotoren gelten als effektiv und sparsam, gleichzeitig aber trotz zum Teil aufwendiger Reinigungstechnik als nicht eben sauber. Auch an der Tankstelle macht sich die Entscheidung für einen Diesel dank staatlicher Subventionen bemerkbar. Bislang überwogen für Millionen Diesel-Fahrer diese Vorteile. Doch seit Bekanntwerden des VW-Abgas-Skandals ist vieles anders. Nun drohen sogar Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Städten, weil die Schadstoffgrenzwerte zum Teil erheblich überschritten werden.

Die Freude an der Selbstzündertechnik scheint dahin. Dieselautos verkaufen sich hierzulande immer schlechter. Laut einer Studie des Car-Centers der Uni Duisburg-Essen wurden im August mit 45,3 Prozent aller Neuwagen so wenig Diesel-Pkw zugelassen wie seit 54 Monaten nicht mehr. Anfang 2015 lag der Anteil noch bei fast 51 Prozent. „Neuwagenkäufer sind stark verunsichert“, resümiert Car-Center-Direktor Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Daher reagierten viele Hersteller mit hohen Rabatten und Sonderaktionen auf die Kaufzurückhaltung, sagt Dudenhöffer. Im Durchschnitt würden auf die 30 meistverkauften Benzin- und Diesel-Neuwagen 19,3 Prozent Rabatt gewährt. Das sind fast 5000 Euro Rabatt je Neuwagen, haben die Forscher ausgerechnet.

„Die größten Verlierer des VW-Abgas-Skandals sind die deutschen Autobauer“, resümiert das Car-Center. Mit Ausnahme von Ford verlieren die deutschen Autobauer deutlich stärker Marktanteile beim Diesel als der Gesamtmarkt. So ist der Dieselanteil von Audi von Januar bis August um 1,7 Punkte auf 66,3 Prozent gesunken. Bei BMW-Mini betrug der Rückgang 3,8 Punkte. Damit liegt der Mini-Dieselanteil im deutschen Markt nach acht Monaten bei 59,4 Prozent. Bei Mercedes-Smart ist der Dieselanteil auf 50,8 Prozent gesunken, bei Opel auf 28,2 Prozent und bei VW auf 51,5 Prozent.

Dem Abwärtstrend entzogen

Ford kann sich dem Abwärtstrend entziehen. Der Dieselmarktanteil der Kölner lag in den ersten acht Monaten bei 48,3 Prozent, während er im gesamten Jahr 2015 bei 45,4 Prozent lag. „Das ist der Tatsache geschuldet, dass Ford 2016 besonders erfolgreich beim Modell S-Max, einer Großraumlimousine im Markt agiert“, so das Car-Center. Großraumlimousinen (Vans) seien ebenso wie SUV prädestiniert, um mit Dieselmotoren angetrieben zu werden. Eine Ford-Sprecherin nannte als einen möglichen Grund, dass Ford viele gewerbliche Flottenkunden hinzugewonnen habe, die anderen Herstellern wegen des Abgas-Skandals den Rücken gekehrt hätten.

Ein deutlich freundlicheres Bild zeichnet der Verband der Automobilindustrie (VDA). „Die Kunden sind weiterhin von den Vorteilen des modernen Diesel überzeugt“, erklärte jüngst VDA-Präsident Matthias Wissmann: „Im ersten Halbjahr wurden in Deutschland 812 000 Diesel-Pkw neu zugelassen. Nie zuvor wurden in den ersten sechs Monaten eines Jahres in Deutschland mehr Diesel-Pkw verkauft“, verkündete der Ex-Verkehrsminister bei der Vorlage der Halbjahreszahlen der Branche.

Was er verschwieg: Der Diesel-Anteil im Neuwagensegment sinkt. Über die ersten sechs Monate gerechnet waren 51,5 Prozent aller neu zugelassenen Autos Benziner, 46,9 Prozent Dieselfahrzeuge. Alternativen sind Mangelware: Der Anteil der Hybrid-Modelle (der Kombination von Verbrennungsmotor und Elektroantrieb) lag im selben Zeitraum bei 1,2 Prozent; gerade einmal 0,3 Prozent hatten einen Elektromotor.

„Vor allem die deutschen Hersteller haben kaum Alternativen zum Diesel zu bieten“, so Dudenhöffer: „Vor allem nicht bei den zunehmend beliebten und schweren SUV-Geländewagen.“ Beim Elektroauto wünscht sich Dudenhöffer mehr Tempo. Stromantrieb sei die einzig richtige Lösung – gerade im Hinblick auf die luftverschmutzten Innenstädte. Doch das Angebot an marktfähigen Stromern sei zu klein. „Außer bei BMW ist das Abschneiden der deutschen Autobauer fast schon beschämend“, sagt Dudenhöffer.

Rückenwind verspürt zurzeit die Hybridtechnik. Toyota etwa meldete in dieser Sparte ein Rekordhalbjahr in Deutschland. 39 Prozent aller bestellten Neuwagen seien Hybride, teilten die Japaner mit.

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