Interview mit Christian Lindner Die FDP bereitet sich auf das Ende der GroKo vor

Die Krise der Groko-Parteien CDU und SPD hat in den vergangenen Tagen die Schlagzeilen bestimmt. Das nutzt vor allem den Grünen – der FDP bislang nicht. Mit Parteichef Christian Lindner sprachen Gregor Mayntz und Eva Quadbeck.

 Lindner mit FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg: „Klimaschutz muss endlich mit Start-up-Denken angegangen werden.“

Lindner mit FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg: „Klimaschutz muss endlich mit Start-up-Denken angegangen werden.“

Foto: picture alliance/dpa

Sie haben signalisiert, dass die FDP eine Minderheitsregierung stützen würde, sollte die SPD die große Koalition verlassen. Bei welchen Themen möchten Sie dabei den Finger heben?

Lindner: Die große Koalition ist am Ende. Von Neuwahlen über eine Minderheitsregierung bis zu Koalitionen gibt es Optionen. Darüber zu entscheiden, liegt nicht bei uns. Wir sind zur Übernahme von Verantwortung bereit, wenn die Bedingungen stimmen. Dazu gehören Stärkung der Wirtschaftskraft durch die Abschaffung der Solidaritätszuschlags, eine Bildungsoffensive, Tempo für Digitalisierung, ein funktionierendes Einwanderungsgesetz. Das haben wir immer gesagt. Unsere Bereitschaft hat Aktualität gewonnen. Die SPD wirkt nicht mehr regierungsfähig.

Woran liegt es, dass Sie so wenig von der Schwäche der SPD und der Union profitieren?

Lindner: Erstens profitieren die Grünen von der Schwäche der SPD. Zweitens werfen uns selbst unzufriedene Unionswähler das Nein zu Jamaika vor. Dabei war die Bereitschaft der Union, den Grünen zu viele Positionen zu opfern, ja der Grund für das Ende der Sondierungen. Und drittens geht es momentan fast nur um Klimaschutz, obwohl es noch anderes gäbe, das wichtig ist. Wir als FDP müssen an unserem Profil in der Klimapolitik noch arbeiten. Dummerweise habe ich selbst es durch leicht verdrehbare Worte unseren Gegnern erleichtert, die FDP in eine falsche Ecke zu rücken.

Für welche Art von Klimapolitik stehen sie denn?

Lindner: Klimaschutz muss endlich mit Start-up-Denken angegangen werden – weg von einer Planwirtschaft, die uns die höchsten Strompreise in Europa gebracht haben. Man muss nur nach Kalifornien schauen. Mit Offenheit für unterschiedliche technologische Ansätze geht man dort voran.

Sie werben für eine CO2-Bepreisung. Wie soll die funktionieren, ohne dass die Energiepreise weiter steigen?

Lindner: Es sollte keine CO2-Steuer geben, denn diese hat keine Lenkungswirkung. Wer es sich leisten kann, macht dann einfach weiter wie bisher. Auf die anderen kommen aber empfindliche Einschränkungen zu. Wir sollten stattdessen die Menge an CO2 festlegen, die noch bis 2050 ausgestoßen werden darf. Wer von diesem Budget etwas will, muss zahlen. Dann steuert sofort der Markt die Knappheit. Je teurer CO2 wird, desto mehr werden Anreize für Innovationen gesetzt und desto wirtschaftlicher werden Technologien wie synthetische Kraftstoffe, die heute noch nicht voll genutzt werden.

Und die Preise für Sprit und Heizöl steigen doch.

Lindner: Das muss man durch Technologie und einen Umbau des Steuersystems kompensieren. Energetische Gebäudesanierung sollte steuerlich gefördert werden, die Stromsteuer kann reduziert werden, die Ökosteuer entfallen.

Dann klafft ein Loch in der Rentenkasse.

Lindner: In der Tat muss der Bundeshaushalt umgebaut werden. Niemand thematisiert die Kosten der Klimapolitik und ihre Verteilung. Die Belastungen müssen durch mehr Effizienz dringend reduziert werden. Wir geben heute Milliarden Subventionen für Windräder aus, obwohl diese sich auch ohne Staatsgeld rechnen. Diese Fehler werden bei den E-Autos gerade wiederholt. Und wenn Produkte und Dienstleistungen, die CO2 erzeugen, teurer werden, dann sollte der Staat seine Einnahmen daraus ohne Abzug pro Kopf an die Menschen zurückgeben. Das wäre eine Klima-Dividende. Familien würden davon besonders profitieren.

Fleisch – als Nahrungsmittel, für dessen Produktion relativ viel CO2 gebraucht wird – wird dann auch teurer...

Lindner: Nicht unbedingt. Wenn der Fleischproduzent zugleich in die Aufforstung von Wäldern investiert, dann kann er sein Fleisch auch weiterhin preiswert anbieten. Möglicherweise gelingt auch eine großer Durchbruch bei der CO2-Speicherung. Bei dieser Technologie gibt es hierzulande leider Denkblockaden.

Noch einmal zurück zu den Projekten einer möglichen Minderheitsregierung. Wenn der Soli für 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft wird, sind Sie dann dabei?

Lindner: Nein. Dieses Sprachspiel der CDU haben wir schon 2017 abgelehnt. Es wären ja nur 50 Prozent der Soli-Einnahmen. Handwerksbetriebe und Mittelstand beispielsweise würden davon nicht profitieren. Im scharfen weltweiten Wettbewerb hat der deutsche Mittelstand inzwischen die höchsten Steuersätze, nachdem USA, China und Frankreich reduziert haben.

Haben Sie die Unterlagen für die angekündigte Verfassungsklage gegen den Soli schon in der Schublade?

Lindner: Wir werden 2020 vor das Verfassungsgericht ziehen, wenn der Soli nicht abgeschafft wird. Wir verfügen über das Gutachten des früheren Verfassungsrichters Papier, das gute Argumente für die Klageschrift enthält.

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