Interview mit zur SPD-Spitze "Die Hälfte der Regionalkonferenzen hätte es auch getan"

Der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg spricht im Interview über das Auswahlverfahren der SPD, das Prinzip der Doppelspitze und die Wähler der Mitte

 Politikwissenschaftler Volker Kronenberg.

Politikwissenschaftler Volker Kronenberg.

Foto: Benjamin Westhoff

Die SPD ist zu sehr auf linke Themen fokussiert, meint der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg.

Nach der Hälfte der Regionalkonferenzen: Wie bewerten Sie das SPD-Auswahlverfahren?

Volker Kronenberg: In der prekären Situation, in der sich die Partei befindet, ist es richtig, an die Basis zu gehen und miteinander zu diskutieren. Es ist auch positiv zu sehen, dass der Andrang sehr groß ist. Die Frage ist nur, ob denn 23 Regionalkonferenzen notwendig sind. Die Hälfte hätte es sicher auch getan. Einen Spannungsbogen über so viele Wochen und Monate aufrechtzuerhalten, ist schwierig, zumal der Parteitag nochmal einige Wochen später stattfindet.

Könnte das Format der SPD dennoch zu mehr Zuspruch in der Bevölkerung verhelfen?

Kronenberg: Das hängt davon ab, was am Ende rauskommt - also welches Duo das Rennen macht und wo die SPD in den nächsten Jahrzehnten hin will. Die Frage muss lauten: Was ist die sozialdemokratische Idee in einem Europa im 21. Jahrhundert? Die Aufbruchstimmung kommt nicht dadurch, dass man sich für eine CO2-Steuer oder für eine Grundrente in einer bestimmten Höhe ausspricht. Derzeit wird sehr kleinteilig diskutiert. Es fehlt der Blick auf das große Ganze.

Halten Sie die Doppelspitze für ein geeignetes Instrument, die Partei zu führen?

Kronenberg: Ich finde sie eher heikel. Nur weil es bei den Grünen mit der Doppelspitze gerade gut läuft, muss man bei anderen Parteien ja nicht die Lösung aller Probleme in dieser Konstellation sehen. Schließlich hat man bei den Grünen in den vergangenen 30 Jahren oft auch eher gegeneinander gearbeitet. Das Formale kann das Inhaltliche, also wo sich die SPD in dem gewandelten Parteiensystem sieht, nicht kaschieren.

Was ist der Basis inhaltlich denn wichtig, wenn Sie auf die bisherigen Konferenzen blicken?

Kronenberg: Es geht immer wieder um die soziale Gerechtigkeit und die Fragen, ob die SPD weiter nach links rücken und aus der großen Koalition aussteigen soll. Ich finde es erstaunlich, dass man in der Partei all die Erfolge als Teil der Regierung kaum als solche wahrnimmt und bei den sozialen Aspekten immer noch mehr will.

Das SPD-Herz schlägt halt links.

Kronenberg: Aber die Wahlen werden immer noch in der Mitte entschieden. Schauen Sie auf Tony Blair oder Gerhard Schröder. Die haben auf die Mitte der Gesellschaft gesetzt. Ohne die Wähler der Mitte haben Sozialdemokraten auch heute keine Chance. Bei den Regionalkonferenzen scheint allerdings nichts verpönter zu sein, als sich auf Themen der Mitte zu fokussieren. Die Selbstvergewisserung erfolgt vor allem über die linken Themen, aber das ist dann nicht mehrheitsfähig.

Sehen Sie ein Favoritenpaar?

Kronenberg: Bisher noch nicht. Auch die Kandidatur von Olaf Scholz und Klara Geywitz ist kein Selbstläufer. Wenn die Entscheidung gefallen ist, dann ist allerdings wichtig, dass die ganze Partei geschlossen hinter dem neuen Führungsduo steht. Bei Sigmar Gabriel, Andrea Nahles und vor allem Martin Schulz hat man ja gesehen, wie schnell eine Euphorie verfliegen kann und wie der Streit wieder die Oberhand gewinnt.

Könnte das Verfahren ein Modell für andere Parteien sein, vielleicht auch für die CDU?

Kronenberg: Wenn wir 20 Jahre zurückgehen, hat Angela Merkel schon damals über Regionalkonferenzen ihre Macht in der CDU gewinnen und stabilisieren können - gegen all die Männer aus dem Westen, die sie unterschätzt haben. Ein solches Auswahlverfahren in der CDU, vielleicht sogar mit Kandidatenpaaren, kann ich mir aber nicht vorstellen.

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