Kirchentag in Hamburg Die Kirche und die Politik

HAMBURG · "Und siehe, es war sehr gut." Dieses Thema hat die Leitung des 34. Deutschen Evangelischen Kirchentages, der morgen nach fünftägiger Dauer mit einem großen Gottesdienst im Hamburger Stadtpark zu Ende geht und zu dem 100.000 Teilnehmer erwartet werden, Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitagvormittag gestellt.

 Überfüllte Messehalle: 7000 Kirchentagsteilnehmer kommen zur Veranstaltung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Überfüllte Messehalle: 7000 Kirchentagsteilnehmer kommen zur Veranstaltung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Foto: dpa

Ein Thema, das ihr offensichtlich gefällt und das rund 7000 Menschen in die überfüllte Messehalle B5 lockt. "Gestalten statt Spekulieren" lautet am Nachmittag das Thema für ihren Herausforderer Peer Steinbrück im überfüllten Michel, dem Hamburger Wahrzeichen. Doch die Kirche fasst nur 2200 Menschen und so haben sich vor dem Gotteshaus einige hundert Menschen niedergelassen, um der Übertragung zu lauschen.

Die Kanzlerin fühlt sich an ihrem Geburtsort ("eine tolle Stadt") wohl. Erst nach ihrer Geburt zogen die Eltern in die damalige DDR, um dem dortigen Pfarrermangel abzuhelfen. Beifall und Blitzlichtgewitter für die Kanzlerin, die nur diesen einzigen Termin auf dem größten protestantischen Laientreffen der Welt absolviert. Sie überlässt zuerst das Wort ihrer ehemaligen neuseeländischen Kollegin Helen Clark, der heutigen UN-Beauftragten für Entwicklungsfragen. Als es zu Beginn der Rede Merkels zu einer lauten Störung kommt (die sich später als technische Panne herausstellt), sagt sie nur kurz: "Es ist besser, es spricht nur einer."

[kein Linktext vorhanden]Das ist keine Rede, mit der sie Wahlkampf macht. Ausführlich erläutert sie, dass der Artikel 1 des Grundgesetzes ("Die Würde des Menschen ist unantastbar") nicht nur für die Deutschen, sondern für alle Menschen gilt. Die Industrienationen haben gegenüber den Entwicklungsländern eine Bringschuld: "Uns wird es auf Dauer nur gut gehen, wenn es den anderen Ländern auch gut geht." Und die Deutschen haben auch eine Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen. Als ihr in der Diskussion einige sehr spezielle Fragen gestellt werden, antwortet sie kurz und knapp: "Das habe ich gerade nicht auf dem Schirm." Das kommt an. Standing Ovations zum Abschied.

Zuvor hat schon ihr Herausforderer vor vier Jahren, der heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier, in einer von 3500 Menschen besuchten Bibelarbeit vor einem Auseinanderfallen der Europäischen Union gewarnt: "Ich sehe mit Sorge, wie sich der Spaltpilz breit macht." Eine solche Entwicklung sei "eine Katastrophe". Notwendig sei es, den Menschen ganz konkret zu sagen, wieso Europa für Spanien, Italien und andere Länder wichtig sei.

Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Diskussionsveranstaltung über das Geld vor dem Hintergrund der Kirchentagslosung "Soviel du brauchst" muss die Hamburger Hauptkirche St. Michael ("Michel") wegen Überfüllung geschlossen werden. Alle warten auf Peer Steinbrück, der sich im Gegensatz zur Bundeskanzlerin den blauen Kirchentagsschal umgelegt hat. Doch die Menschen werden enttäuscht. Das liegt nicht an Steinbrück, sondern daran, dass man ihm weitere Geldexperten zur Seite gestellt und das Hauptreferat ausgerechnet Heiner Flassbeck, dem ehemaligen Staatssekretär von Oskar Lafontaine, übertragen hat.

So muss sich Steinbrück, mit freundlichem Applaus empfangen, kurz fassen. Er trägt seine bekannten Positionen vor und ist sichtbar enttäuscht, dass er nur so wenig Redezeit hat. Am Samstagabend bekommt er freilich im Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mehr davon. Steinbrück will, dass der Steuerzahler fortan nicht mehr für Bankgeschäfte haftet (Beifall), dass Kredit- und Sparbanken von Investmentbanken getrennt werden (Beifall). Schattenbanken müssten genauso kontrolliert werden wie normale Banken (Beifall), und "hochriskante Geschäfte" der Banken sind ihm zuwider (selbstverständlich auch Beifall).

Der große Schlagabtausch zwischen Merkel und Steinbrück findet auf dem Hamburger Kirchentag nicht statt. Das hat auch niemand gewollt. Neugierig waren die vielen tausend Zuhörer, besonders die jungen Teilnehmer, die beiden Hauptpersonen der bevorstehenden Wahlauseinandersetzung einmal kennenzulernen.

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