Kommentar zu den Protesten in Russland Die Knute des Kreml

Meinung | Moskau · Es spricht nicht für die Hochachtung des eigenen Volks, wenn die politisch Elite in Russland den Jugendlichen unterstellt, für Geld an den Demonstrationen am Sonntag teilgenommen zu haben.

Man habe Informationen, dass ein Teil der jugendlichen Demonstranten in Moskau am Sonntag für Geld auf die Straße gegangen sei. Das erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag. Für die politische Elite um Wladimir Putin sind russische Jugendliche, die aus freien Stücken gegen den Präsidenten auf die Straße gehen, etwas Absurdes. Aber dass man schon Teenagern Käuflichkeit unterstellt, spricht nicht eben für Hochachtung vor dem eigenen Volk.

Ein Großteil der Staatsmedien ignorierte die landesweiten Proteste, andere versuchten, sie möglichst klein oder hässlich darzustellen. Für die halbstaatliche Öffentlichkeit gilt die demokratische Opposition als isoliertes und aussichtsloses Häuflein vom Westen ausgehaltener „Volksverräter“. Aber dass auf deren Kundgebungen vermehrt Studenten und gar Schulkinder auftauchen, lässt ahnen, dass die Propaganda des eigenen politischen Systems nicht mehr richtig funktioniert. Auch ein Großteil der Teenager, in Russland bekanntlich wie anderswo romantischer als die Erwachsenen, will sich nicht mehr am Jubel über die Wiedergewinnung der Krim und am Kriegsgeschrei über die Vorwärtsverteidigung „Neurusslands“ in der benachbarten Ukraine erwärmen.

Auch wirtschaftlich hat ihnen das Vaterland weder steile Karrieren noch hohe Löhne zu bieten. Das Zuckerbrot des Kremls wird immer knapper. Am Sonntag hat die Staatsmacht gezeigt, dass sie dafür andere Instrumente einzusetzen versteht. Ob man diese Peitsche, Knute oder Gummiknüppel nennt, auf Dauer sollten sich Putin und seine Ratgeber etwas anderes einfallen lassen.

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