Dichter Raketenzaun Die USA reagieren auf die Drohungen Nordkoreas

WASHINGTON · Nordkoreas Säbelrasseln gegen den Nachbarn im Süden und die USA hat Konsequenzen von globalem Ausmaß. Amerika zieht seinen Raketenzaun, der feindliche Angriffe in der Luft abfangen soll, dichter.

Für rund eine Milliarde Dollar werden, wie der neue Verteidigungsminister Chuck Hagel bei seiner ersten offiziellen Amtshandlung sagte, die bestehenden 30 bodengestützten Abwehr-Raketen in Fort Greely/Alaska und auf der Vandenberg Airforce-Basis/Kalifornien bis 2017 um 14 Einheiten erweitert. Kostenpunkt: cirka eine Milliarde Dollar.

Zusätzlich sollen an der Ostküste drei neue Standorte für die Raketenabwehr gefunden und in Japan ein zusätzliches Radar-Frühwarnsystem installiert werden. Weil das Pentagon unter drastischem Sparzwang steht, muss an andere Stelle gespart werden. Die letzte und vierte Stufe des in Europa (Polen und Rumänien) im Aufbau befindlichen Raketenschutzschirms gegen etwaige Angriffe aus dem Iran wird gestrichen.

Chuck Hagel betonte, dass die Stufen eins bis drei davon unberührt blieben. Der gesamte europäische Nato-Raum werde wie vereinbart bis spätestens 2020 geschützt, diese Zusage stehe "eisenhart". Derzeit setzen die USA für Europa auf mobile Abfangraketen, die auf im Mittelmeer kreuzenden und im spanischen Cadiz stationierten Schiffen installiert sind. Schaltzentrale für etwaige Einsätze ist die US-Basis Rammstein in Rheinland-Pfalz. Bei den sogenannten "ground based interceptors", kurz GBI, handelt es sich um von Firmen wie Boeing, Orbital Science und Raytheon entwickelte Raketen, die aus einer Armee-Zentrale in Colorado oder aus Fort Greely, zwei Stunden südöstlich von Fairbanks, gesteuert werden.

Einsatzmethode: Eine feindliche Rakete mit Kurs auf die USA wird per Radar nur Augenblicke nach ihrem Start erkannt und erfasst. Minuten später soll von Alaska oder Kalifornien aus eine Abfangrakete aus ihrem Silo aufsteigen. Sie trägt keinen Sprengkopf, sondern ein sogenanntes "Kill Vehicle" (tödliches Gefährt). Hinaufgeschossen in den Weltraum, soll es mit seinem Wärmesensor in Höhen von über 200 Kilometern einen Atomsprengkopf identifizieren, ihn dank eigenen Antriebs ansteuern und mit einer Geschwindigkeit von rund 25 000 Stundenkilometern rammen. Minister Hagel betonte bei seiner Ankündigung, dass Nordkorea zwar erst in einigen Jahren technisch in der Lage sei, die Vereinigten Staaten Raketen zu bedrohen. Allerdings habe das Regime unter Diktator Kim Jong Un in Pjöngjang zuletzt deutliche Fortschritte gemacht und durch diverse Raketentest "erheblich provoziert". Washington sei verpflichtet, diesen Tatsachen Rechnung zu tragen und den Heimatschutz zu verstärken.

Dabei werde sichergestellt, dass die Technik den Anforderungen standhält. Hintergrund: Die bisherige Testbilanz der Abfang-Raketen gilt nach Angaben von Mitgliedern des zuständigen Kongress-Ausschusses als "durchwachsen". Für das zuletzt stark abgekühlte russisch-amerikanische Verhältnis kann sich die Entscheidung belebend auswirken, erklärten Militärexperten. Moskau macht seit Jahren gegen den Raketenschutzschirm in Europa Front. Dass die vierte Ausbaustufe nun gestrichen sei, könnte die Führungsebene um Wladimir Putin zu Zugeständnissen bei der von Obama angestrebten Reduzierung von Atomwaffen animieren.

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