Griechenland Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Schuldenschnitt für Athen

BRÜSSEL · Haben genug private Gläubiger einem Schuldenverzicht für Griechenland zugestimmt? Am heutigen Freitagvormittag wird Athens Finanzminister Evangelos Venizelos die endgültigen Zahlen bekanntgeben. Bis gestern Abend hatten schon 75 Prozent der Geldgeber zugestimmt. Doch reicht das? Unser Brüsseler Korrespondent Detlef Drewes sagt, wie es nun weitergeht.

 Die Zeit für Athen wird knapp: Sonnenuntergang hinter der Akropolis.

Die Zeit für Athen wird knapp: Sonnenuntergang hinter der Akropolis.

Foto: dpa

Auf wie viel Geld sollen die privaten Gläubiger denn verzichten?

Griechenland steht mitrund 206 Milliarden Euro bei privaten Geldgebern in der Kreide. Sie sollen auf 53,5 Prozent (107 Milliarden) verzichten und werden dafür mit insgesamt 30 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket entschädigt. Für die restlichen Forderungen sollen sie neue Papiere mit längerer Laufzeit (30 Jahre) und niedrigeren Zinsen bekommen. Alles zusammengerechnet summiert sich der Schuldenschnitt somit auf 70 Prozent.

Wäre Athen gerettet, wenn tatsächlich genügend Gläubiger zustimmen?

Kurzfristig ja. Der Schuldenschnitt ist Voraussetzung für die Zustimmung zum zweiten Rettungspaket der Euro-Partner über 130 Milliarden Euro. Damit kann Griechenland am 20. März die nächsten Forderungen über 14,5 Milliarden Euro begleichen und hat auch das Geld für die im Mai fällige Tranche über mehr als acht Milliarden. Ob der Schnitt langfristig hilft, ist allerdings umstritten.

Wieso?

Oberstes Ziel ist ja, dass das Land bis 2020 seine Staatsverschuldung auf 120 Prozent seiner Wirtschaftsleistung drückt - immerhin noch doppelt so viel, wie Brüssel erlaubt. Das wird aber sehr schwierig, weil der Schuldenschnitt zunächst einmal rund 50 Milliarden an Nebenkosten (für die Rekapitalisierung der griechischen Banken und Pensionsfonds) verursacht, die mit neuen Krediten finanziert werden müssen. Experten rechnen damit, dass die Verschuldung deshalb in diesem und im nächsten Jahr um nur zwei oder drei Prozentpunkte sinkt. Erst 2014 wird es wohl zu einem spürbaren Rückgang kommen. Notwendig ist aber gleichzeitig ein Anziehen der Konjunktur. Steigt diese nicht wie erwartet, bricht das ganze Konstrukt auseinander. Schon ein Prozentpunkt weniger als heute berechnet würde den Schuldenstand im Jahre 2020 nicht auf 120, sondern lediglich auf 143 Prozent sinken lassen. Und der EU-Plan wäre gescheitert.

Geht Griechenland wirklich pleite, wenn nicht genügend private Gläubiger auf ihre Ansprüche verzichten?

Sollten 90 Prozent der Gläubiger dem freiwilligen Schuldenschnitt zugestimmt haben, kann er vollzogen werden. Wird diese Quote nicht erreicht, dürfte Athen einen Zwangsumtausch per Gesetz anordnen. Entscheidend wird aber sein, ob Griechenland seine nächsten Fälligkeiten am 20. März bedienen kann oder nicht. Fehlt das Geld, scheint eine ungeordnete Insolvenz möglich. Diese gilt deshalb als Katastrophe, weil viele Beobachter einen Domino-Effekt befürchten. Griechische Banken können nicht mehr agieren, reißen europäische Partner-Institute mit in den freien Fall. Seriöserweise muss man aber sagen, dass niemand wirklich weiß, ob dieses Szenario eintritt. Einige Analysten halten eine Pleite für eher unwahrscheinlich, weil die Euro-Zone das nicht zulassen wird.

Wenn ein Schuldennachlass Griechenland schon nicht retten kann, was ist denn dann nötig?

Das Land braucht eine funktionierende Wirtschaft. Dazu ist Geld nötig, aber das liegt bereit vor. Athen kann noch bis 2013 über zwölf Milliarden Euro aus dem Strukturfonds verfügen. Das Problem ist die unwirksam arbeitende Verwaltung. Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat am Mittwoch den Chef seines Experten-Teams, Horst Reichenbach, beauftragt, bis Ende des Monats einen Plan vorzulegen, wie die griechische Administration schnell und effizient reformiert werden kann. Doch das dauert. Werner Hoyer, der Präsident der Europäischen Investitionsbank, rechnet mit zwei Jahrzehnten. Der Chef des Ifo-Institutes, Hans-Werner Sinn, zweifelt sogar, dass Griechenland es überhaupt schaffen wird, da von der Steuerverwaltung bis zum Katasteramt alles neu auf die Beine gestellt werden muss.

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