Druck auf Schäuble wegen Kalter Progression wächst

Berlin · Die Debatte um Steuerentlastungen für Bürger erhöht den Druck auf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die Kalte Progression abzubauen. Anders als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht SPD-Chef Sigmar Gabriel durchaus Spielraum dafür.

 Die Forderungen inner- und außerhalb des Regierungslagers mehren sich, die Kalte Progression abzubauen. Foto: Armin Weigel

Die Forderungen inner- und außerhalb des Regierungslagers mehren sich, die Kalte Progression abzubauen. Foto: Armin Weigel

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"Wir haben beispielsweise eine riesige Anzahl von Minderausgaben und Mehreinnahmen durch den Mindestlohn, weil Menschen mehr Sozialabgaben zahlen", sagte Gabriel im aufgezeichneten ZDF-Sommerinterview. Im Internet zitierte der Sender ihn vorab mit den Worten: "Ich bin ganz sicher, dass wir in dieser Legislaturperiode auch zu einem Ergebnis kommen würden."

FDP-Chef Christian Lindner schrieb in einem Brief an den einstigen Koalitionspartner Union: "Hören Sie auf, sich an der "kalten Progression" zu bereichern! Steuerzahler mit Jahresgehalt zwischen 10 000 und 30 000 Euro würden um bis zu 14 Prozent entlastet, rechnen Experten."

Er erinnerte daran, dass nicht nur die FDP, sondern auch die CDU die Abschaffung der Kalten Progression schon bei zwei Wahlen versprochen habe. Inzwischen hätten SPD-Chef Sigmar Gabriel und die Gewerkschaften die Position der FDP übernommen, fügte Lindner hinzu.

Zuletzt hatten sowohl der Wirtschafts- als auch der Arbeitnehmerflügel der Union gefordert, das Thema neu aufzugreifen. Die Kalte Progression führt dazu, dass Arbeitnehmer je nach Inflationsrate mitunter trotz Lohnzuwächsen wegen eines höheren Steuertarifs real nicht mehr Geld in der Tasche haben.

Ein Anlauf der früheren schwarz-gelben Regierung zur Änderung des Tarifverlaufs war in der vergangenen Legislaturperiode am Widerstand des grün- und rot-dominierten Bundesrats gescheitert. Nun unterstützen die Finanzminister mehrerer SPD-geführter Länder zwar entsprechende Forderungen aus der Union - aber nur unter der Bedingung, dass sie dafür nicht aufkommen müssen.

Die Ressortchefs von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, Peter-Jürgen Schneider, Norbert Walter-Borjans und Nils Schmid, sagten der "Rheinischen Post" (Samstag), es sei eine Frage der Gerechtigkeit, dass Lohnerhöhungen nicht durch automatisch steigende Steuertarife aufgefressen würden. Wie ein Abbau gegenfinanziert werden kann, ist aber strittig.

Schmidt sagte: "Klar ist, dass die Ausfälle vollständig und sozial ausgewogen gegenfinanziert sein müssen und nicht zulasten der Landeshaushalte gehen dürfen." Um das zu erreichen, könnten Steuersubventionen an anderer Stelle gestrichen werden.

Der SPD-Politiker schlug vor, den Solidaritätszuschlag in die Einkommensteuer zu integrieren und bei einer solchen Reform auch die Kalte Progression anzugehen. Den bisher vollständig dem Bund zustehenden Solizuschlag in die Einkommensteuer zu integrieren, würde aber nur den Ländern entgegenkommen und brächte für den Abbau der Kalten Progression nichts.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel forderte Schäuble auf, härter gegen Steuerflucht vorzugehen. "Deutschland hat im Kampf gegen Steuervermeidung viel zu wenig getan", sagte er dem "Focus". Er verwies darauf, dass die Bekämpfung von Steuervermeidung ausdrücklich im Koalitionsvertrag verankert sei. "Jetzt muss Finanzminister Wolfgang Schäuble liefern."

Allein durch Steuersparmodelle von Unternehmen verliere die Bundesrepublik jedes Jahr 25 Milliarden Euro. "Wir sollten Unternehmen verpflichten, ihre Steuersparmodelle anmelden zu müssen. Die Finanzbehörden könnten dann in jedem Einzelfall prüfen, ob ein Steuerschlupfloch ausgenutzt wird. ... Außerdem sollten international tätige Firmen ihre Gewinn- und Verlustrechnung nach Ländern getrennt vorlegen müssen."

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