Hochschulen Eine Domäne von Akademikerkindern

Berlin · Milliarden pumpten Bund und Länder für zusätzliche Studienplätze seit 2006 in die Hochschulen. Mit 2,5 Millionen Studierenden strebten noch nie so viele junge Menschen einen akademischen Abschluss an wie heute.

Doch an der sozialen Zusammensetzung der Studentenschaft hat sich dadurch wenig verändert. Die Unis bleiben nach wie vor eine Domäne der Akademikerkinder. Nicht mal ein Zehntel der Studierenden hat Eltern, die maximal über einen Volks- oder Hauptschulabschluss verfügen.

Lange hat es gedauert, bis sich das Bundesbildungsministerium intern durchringen konnte, die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes (DSW) doch noch vor der Bundestagswahl zu veröffentlichen. Eingeflossen in die repräsentative Umfrage vom Sommer vergangenen Jahres sind die Antworten von über 15 000 Studierenden aus 227 Hochschulen.

Dabei hat sich einiges auch zum Besseren entwickelt. Immer mehr Studierende schließen die schnelleren Bachelor-Studiengänge ohne zeitliche Unterbrechung ab. Die mit der Einführung der neuen Studienstruktur anfangs in manchen Fächern zu beobachtende "Stoffhuberei" hält sich inzwischen in Grenzen. Ein "Normal-Student" bringt heute 18 Stunden pro Woche in Lehrveranstaltungen zu. 17 Stunden Selbststudium kommen im Schnitt noch dazu.

Auch die Jobberei neben dem Studium hat etwas abgenommen. Einige Hochschulforscher führen dies auch auf die Abschaffung der Studiengebühren zurück. Diese hatten vor allem Studenten aus ärmeren Elternhäusern veranlasst, nebenbei Geld zu verdienen. Andere verweisen darauf, dass der vorgegebene dichte Stundenplan im Bachelor-Studium heute auch weniger Spielraum für Nebenjobs lasse. Gleichwohl sind es immer noch 61 Prozent der Studenten, die einer Nebenbeschäftigung nachgehen - im Schnitt 7,4 Stunden die Woche.

40 Prozent dieser Jobber sagen, dass das Geld für ihren Lebensunterhalt unverzichtbar sei. Andere führen als Gründe auch die Sammlung praktischer Erfahrung oder Kontakte für die spätere Beschäftigung an. Wiederum andere wollen sich "etwas mehr leisten" oder streben nach "Unabhängigkeit von den Eltern".

Die alle drei Jahre durchgeführte Sozialerhebung ist inzwischen ein Standardwerk geworden, dass die Situation und die Probleme der Studierenden wie kaum eine andere Untersuchung widerspiegelt. Bund und Länder haben zwar mit dem Hochschulpakt seit 2006 massiv in zusätzliche Lehrkapazitäten an Unis und Fachhochschulen investiert, nicht aber in die soziale Infrastruktur. Die Folgen: In den Mensen sind die Warteschlangen inzwischen unerträglich lang, es fehlt an bezahlbarem Wohnraum und an Horten in Hochschulnähe für die zunehmende Zahl von Studierenden mit Kindern.

"Das Thema Chancengerechtigkeit bleibt eine wichtige Herausforderung der Bildungspolitik in den nächsten Jahren", sagt der Parlamentarische Bildungs-Staatssekretär Thomas Rachel (CDU) zu der kaum veränderten sozialen Zusammensetzung der Studentenschaft. Von 100 Akademikerkindern in Deutschland studieren 77, von 100 Nicht-Akademikerkindern nur 23.

"Gute Hochschulbildung bleibt ein Privileg der höheren Schichten, akademische Abschlüsse werden weiterhin von Generation zu Generation vererbt", kommentiert die neue Vize-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Elke Hannack, dieses Ergebnis der Sozialerhebung.

Über 80 Prozent der Bafög-Empfänger sagen, dass sie ohne diese staatliche Hilfe überhaupt nicht hätten studieren können. Die letzte Bafög-Erhöhung erfolgte zum 1. Oktober 2010.

Der CDU-Politiker Rachel weicht der Nachfrage aus, warum Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) die Entscheidung über die nunmehr bereits im zweiten Jahr ausstehende weitere Bafög-Erhöhung einfach hat schmoren lassen und stattdessen den Ausbau des Deutschland-Stipendiums forcierte. Dieses wird unabhängig vom Elterneinkommen ausbezahlt. Unter den Stipendiaten befinden sich viele Kinder reicher Eltern, die nicht unbedingt auf das Stipendium angewiesen sind.

Schavans Amtsnachfolgerin Johanna Wanka (CDU) hat die Länder zwar inzwischen zu Bafög-Gesprächen gedrängt - und damit der Opposition ein Wahlkampfthema weggenommen. Doch einen konkreten Vorschlag, um wie viel Prozent die Förderung und die Elternfreibeträge nach der Wahl steigen sollen, hat auch Bildungsministerin Wanka noch nicht gemacht. Das Bafög ist aber ein Bundesgesetz - auch wenn die Länder 35 Prozent der Kosten mittragen müssen.

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