Flüchtlingsströme mit Entwicklungshilfe stoppen "Eine epochale Herausforderung"

BRÜSSEL · In der Regel interessiert sich für die Treffen der EU-Minister für Entwicklungszusammenarbeit kaum jemand. An diesem Dienstag jedoch war alles anderes.

 Streben in die wohlhabenden EU-Länder: Flüchtlinge im überfüllten Boot vor Lampedusa.

Streben in die wohlhabenden EU-Länder: Flüchtlinge im überfüllten Boot vor Lampedusa.

Foto: dpa

Schließlich sollen die Milliarden aus den nationalen Haushalten sowie den Kassen der EU einen Beitrag zur Lösung der Frage leisten, die Berlins Minister, Gerd Müller, schon bei seinem Eintreffen in Brüssel als "epochale Herausforderung" beschrieb: Was kann man in der Heimat der Flüchtlinge tun, um zu verhindern, dass sich die Betroffenen weiter zu Hunderttausenden auf den Weg nach Europa machen?

"Wir brauchen Ausbildungsprogramme in den Herkunftsstaaten", sagt der CSU-Politiker Müller. Dass die Brüsseler Kommission selbst vorgeschlagen hat, einen Sonderfonds mit zehn Milliarden Euro bereitzustellen, sei "erfreulich". Nötig aber sei mehr. Gerechte Abkommen beispielsweise, um von einem "freien Handel zu einem fairen Handel" zu kommen. Echte ökonomische Perspektiven für die Wirtschaften in den Ländern Afrikas, das der Bundesminister nicht länger als "Kontinent der Krisen, sondern als Chancen-Kontinent" verstehen will.

Die Hoffnungen Müllers und seiner Kollegen sind groß. Anfang Juni steht die Zusammenarbeit mit Afrika zur Vermeidung von Flüchtlingsströmen auf der Tagesordnung des G7-Gipfels im bayerischen Elmau ganz oben. Dabei wird es auch um neue Programme zur Rückführung von Flüchtlingen aus den nordafrikanischen Staaten wie Libyen gehen, wo ein UN-Sondervermittler zwischen den rivalisierenden politischen Parteien verhandelt. Die EU-Minister wollen ihm einen Sonderbeauftragten der Gemeinschaft zur Seite stellen, den Kommissionschef Jean-Claude Juncker ernennen soll. "Es ist zynisch, dass gerade jetzt das Welternährungsprogramm gekürzt wird", sagt Müller.

Doch von der globalen und europäischen Solidarität, zu der die Minister für Entwicklungszusammenarbeit gestern aufriefen, ist im Zusammenhang mit Asylbewerbern längst nicht mehr so oft und laut die Rede. Wenn die EU-Kommission heute endlich konkrete Zahlen für eine Quote zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen vorlegen wird, dürfte der latente Streit der vergangenen Tage erst richtig aufbrechen. Denn nicht nur Großbritannien, sondern auch die östlichen Mitgliedstaaten wollen sich nicht in einen Verteilschlüssel einbinden lassen.

Nicht nur der stellvertretende polnische Außenminister Rafal Trzaskowski lehnte bereits eine Verpflichtung zur Aufnahme ab, weil die Betroffenen nicht in die ärmeren Teile der Union wollten. "Sie drängen in die wohlhabenden Staaten. Und wenn sie erst einmal im Schengen-Raum sind, hindert sie nichts, dorthin zu ziehen." Besonders drastisch machte Ungarns Premier Viktor Orban seine Ablehnung deutlich: "Wir wollen, dass niemand mehr kommt, und die, die schon hier sind, nach Hause gehen", erklärte er.

Nicht einmal der Kompromiss der Kommission, eine Quote nur zeitweise einzuführen und auch nur dann in Kraft zu setzen, wenn eine besonders dramatische Notlage vorliegt, hat für mehr Offenheit und Bereitschaft gesorgt. Hilferufe der griechischen Behörden über eine neue Zuspitzung der Lage am Wochenende verhallten deshalb weitgehend ungehört. 1200 Flüchtlinge hatte die Marine des Mittelmeer-Staates auf hoher See gerettet.

Auf der Ägäis-Insel Lesbos kapitulieren Behörden und humanitäre Organisationen angesichts von 600 Menschen, denen man nicht mehr bieten könne, als "ein paar Decken an den Ufern", wie es ein Helfer gestern ausdrückte.

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