Landtag Brandenburg Eine merkwürdige Landpartie

KREMMEN · Gleich kommt Dietmar Woidke. Blauer Anzug, weißes Hemd, offener Kragen. Strohballenfest im historischen Scheunenviertel von Kremmen, eine 7000-Einwohner-Stadt im Landkreis Oberhavel, nordwestlich von Berlin. 400 Gäste warten zwischen Traktoren und Heuballen auf ihren Ministerpräsidenten. Noch sind es gut sechs Wochen bis zur Landtagswahl am 14. September in Brandenburg.

 Auf Strohballenfesten, wie diesem, wird in Brandenburg Wahlkampf gemacht.

Auf Strohballenfesten, wie diesem, wird in Brandenburg Wahlkampf gemacht.

Foto: dpa

Aber Woidke, 52 Jahre alt, hat den Wahlkampf vor drei Tagen eröffnet. Der Diplom-Agraringenieur ist gerade zurück vom Kurzurlaub auf Rügen. Vor ihm steht ein Wahlkampf mit insgesamt 34 Auftritten. Strohballenfeste auf dem Land, Saalveranstaltungen in Städten und drei persönlichere Polit-Talkrunden ("Dietmar Woidke direkt"), wie sie auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gemacht hat. Bürger fragen, der Kandidat antwortet.

Woidke muss erstmals als Ministerpräsident durch eine Wahl. Er kennt Regierungsverantwortung, das schon. Er war Landwirtschaftsminister in Brandenburg, danach Chef der SPD-Fraktion im Landtag, zuletzt Innenminister. Doch als Ministerpräsident ist er gewissermaßen noch Novize. Erst Ende August vergangenen Jahres hat er das Amt des Ministerpräsidenten von Matthias Platzeck (SPD) übernommen, der nach elf Jahren als Regierungschef und mehreren gesundheitlichen Einschlägen zurücktreten musste. Ein leichter Schlaganfall war der letzte Warnschuss. Platzeck machte Woidke zum Nachfolger. SPD-Chef Sigmar Gabriel gratulierte in jenen August-Tagen vor Jahresfrist, da Woidke auch den SPD-Landesvorsitz übernahm: "Du hast ?Brandenburg im Herzen?", so das Motto der Landes-SPD.

Brandenburg im Herzen also. Da stimmen im Falle Woidkes auch Dieter Franke (64) und Norbert Wolf (65). Beide sind Musiker der Vier-Mann-Band "The Sugar Beats", die in dieser ersten Wahlkampfwoche bei Auftritten des Ministerpräsidenten spielen. Man kennt sich. Erst im März feierten die "Sugar Beats" 50 Jahre Bühnenjubiläum. Woidke war unter den 700 Gästen, schnappte sich das Mikrofon und sang "Under the Boardwalk", bekannt geworden in der Version der "Rolling Stones". Gitarrist Wolf sagt, so sei Woidke nun mal: "sehr volksnah, umgänglich, unkompliziert", ähnlich wie Platzeck.

Der Regierungschef kommt, schüttelt Hände, geht vor die Bühne und listet im Schnelldurchlauf SPD-Erfolge und offene Forderungen auf: Mindestlohngesetz, damit Menschen nach 40 Stunden ehrlicher Arbeit nicht auch noch "zum Amt" müssten, ordentliche Kitas und Schulen, Haushaltskonsolidierung. Er fordert gleiche Renten in Ost wie West. Mütterrente natürlich, aber bitte in Kremmen nicht niedriger als in Koblenz. Die Arbeitslosigkeit im Lande sei neuerdings unter acht Prozent, wo sie noch vor zehn Jahren bei über 18 Prozent gelegen habe. Aufschwung Ost.

Seit 2009 führt die SPD mit der Linken als Juniorpartner die einzige rot-rote Landesregierung der Republik. Damals sei der Schwenk Platzecks weg von der CDU, hin zur Linken auch in der SPD von vielen als "Tabubruch" wahrgenommen worden, erzählt SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz. Aber die Linke im Brandenburg sei Volkspartei mit vielen Direktmandaten. Und auch Woidke sagt auf die Frage, was gegen die Fortsetzung von Rot-Rot spreche: "Erst mal gar nichts." Ergebnis offen.

Aber natürlich gibt es einen Gegner. Michael Schierack, Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin aus Cottbus, ist Landesvorsitzender, Fraktionschef und Spitzenkandidat der CDU. Woidke würde gerne angreifen. Er hat - anders als Manfred Stolpe oder Platzeck - noch keinen Amtsbonus. Doch Schierack meidet bislang die direkte Auseinandersetzung: "Das größte Problem ist, dass man den Gegner nicht sieht." Einige versuchten wohl, "unter dem Radar durchzutauchen".

Schieracks CDU ist Woidkes SPD auf den Fersen. Nur zwei Prozentpunkte trennen SPD (30 Prozent) von der CDU (28), obwohl Schierack auch in Brandenburg weitgehend unbekannt ist. Die Linke liegt bei 23 Prozent, die Grünen liegen bei sechs Prozent und die AfD kommt ebenfalls auf sechs Prozent. Die Werte der FDP, die noch im Landtag ist, sind so gering, dass sie als nicht messbar gelten. Die SPD spricht vom "Merkel-Bonus". Das kann nervös machen. Drei Auftritte der Kanzlerin sind im Landtagswahlkampf geplant. Bis dahin geht Schierack auf seine "Brandenburg.Besser.Machen-Tour". Irgendwann gilt dann auch für ihn: Der Herausforderer muss angreifen.

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