Kommentar zur Trennung von Kardinal Müller an der Spitze der Glaubenskongregation Eine neue Zeitrechnung

Meinung | Rom · Der Papst aus Argentinien versucht im strengen moralischen Gerüst der katholischen Kirche Schattierungen erkennbar zu machen. Darauf deutet auch der Personalwechsel in der Glaubenskongregation hin.

 Papst Franziskus verlängerte seine Amtszeit, die am Sonntag auslief, nicht: Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

Papst Franziskus verlängerte seine Amtszeit, die am Sonntag auslief, nicht: Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

Foto: dpa

Die vatikanische Glaubenskongregation ist die Nachfolgebehörde der Inquisition. Die Verfolgung sogenannter Häresien, also von Irrlehren, zählte bislang zur Kernkompetenz dieser lange Zeit bedeutendsten Behörde des Papstes und seines Apparats in Rom. Bis zum Wochenende war der ehemalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller mit der Leitung der Glaubenskongregation betraut. An diesem Montag beginnt in Rom eine neue Zeitrechnung.

Papst Franziskus hat das ausgelaufene Fünf-Jahres-Mandat des deutschen Kardinals nicht verlängert, wegen unüberbrückbarer persönlicher und theologischer Differenzen lag die Entscheidung bereits seit Langem in der Luft. Das Ende von Müllers Amtszeit bedeutet auch das Ende einer Ära von Glaubenswächtern, die im Namen des Papstes endgültig darüber entscheiden, was katholisch ist und was nicht.

Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., prägte über 24 Jahre hinweg als Präfekt der Glaubenskongregation unter Johannes Paul II. den autoritären Stil der Behörde. Müller, ein Vertrauter Benedikts, versuchte unter großen Mühen, dieses Schwarz-Weiß-Denken auch in das dogmatisch vielschichtige Franziskus-Zeitalter zu retten. Der Papst aus Argentinien versucht im strengen moralischen Gerüst der katholischen Kirche Schattierungen erkennbar zu machen. Darauf deutet auch der Personalwechsel in der Glaubenskongregation hin.

Mit der Nominierung des spanischen Jesuiten Luis Francisco Ladaria Ferrer ändert Franziskus den Kurs der bislang einflussreichsten Vatikanbehörde. Erzbischof Ladaria wurde zwar wie Müller noch von Benedikt XVI. in die Glaubenskongregation berufen und gilt als konservativ. Im Vatikan hat sich der Spanier aus Mallorca aber einen Ruf als zurückhaltender Vermittler hinter den Kulissen gemacht. Das konnte man von Ratzinger und Müller nicht behaupten. Katholische Doktrin wird künftig nicht mehr als moralisches Fallbeil daherkommen, sondern als eine Größe unter vielen.

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