Behinderten Kinder in China Einem Viertel wird der Schulunterricht völlig verweigert

PEKING · Seit Jahren rühmt sich das chinesische Bildungsministerium mit den Fortschritten, die es für Kinder mit Behinderungen in der Volksrepublik zuletzt angeblich gegeben hat.

Neue Gesetze und zusätzliche finanzielle Aufwendungen hätten in dieser Zeit dafür gesorgt, dass sich die Situation der behinderten Kinder stetig verbessert habe. Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kommt jedoch zu einem völlig anderen Ergebnis.

Sie hat Mitte des vergangenen Jahres einen Bericht veröffentlicht, dem zufolge mehr als 25 Prozent aller behinderten Kinder in China die Teilnahme am Schulunterricht völlig verweigert wird. Wer eingeschult wird, darf dennoch nicht auf reguläre Bildungseinrichtungen, sondern wird meist von Laien unterrichtet.

Der Bericht von Human Rights Watch malt ein erschütterndes Bild der Situation behinderter Kinder in China. Dabei hat die chinesische Führung die aus dem Jahre 2006 stammende UN-Konvention mit unterzeichnet und versprochen, Menschen mit Behinderung an allen gesellschaftlichen Prozessen teilhaben zu lassen. Dazu gehört auch die Teilnahme behinderter Kinder an regulären Schulen.

Vor dieser Unterzeichnung galt offiziell ein Mischsystem. Kinder mit Behinderungen sollten zum Teil auf reguläre Schulen gehen können, zum Teil spezielle Zusatzangebote erhalten. Die Realität war aber auch nach dieser Regelung schon niederschmetternd. Es fing damit an, dass aufgrund der Ein-Kind-Politik wohlhabendere Eltern schon bei bloßem Verdacht einer Behinderung abtreiben ließen.

Nur wer sich diese teuren Untersuchungen nicht leisten konnte, gebar Kinder mit Behinderungen. Damit waren diese Kinder automatisch auch sozial stigmatisiert. Viele dieser Eltern gaben ihre behinderten Kinder gar gleich ins Waisenhaus.

An dieser Haltung hat sich grundsätzlich nur wenig geändert. Auch heute sind Menschen mit Behinderungen gesellschaftlich kaum anerkannt, entsprechend fehlt es an Initiativen, die sich für mehr Gleichberechtigung einsetzen. Wie wahrscheinlich schon vor hundert Jahren sind die betroffenen Familien in China damit auch weiterhin weitgehend auf sich allein gestellt.

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