TV-Interview am Nationalfeiertag in Frankreich Macrons „Weiter so“

Paris · Der Präsident ist im ersten Fernsehinterview seit seiner Wiederwahl ganz der Alte. Seine Projekte will er auch ohne absolute Mehrheit in der Nationalversammlung durchsetzen.

 Frankreichs Präsident Emmanuel Macron während der Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron während der Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli.

Foto: AP/Christophe Ena

Nach seiner Wiederwahl Ende April hatte sich Emmanuel Macron erst einmal eine Auszeit genommen. Wochenlang war vom Präsidenten kaum etwas zu sehen und zu hören gewesen. Der 44-Jährige schien darüber nachzudenken, wie er seine zweite Amtszeit gestalten will. Vor allem, nachdem er bei den Parlamentswahlen im Juni in der Nationalversammlung die absolute Mehrheit verloren hatte. Wer allerdings erwartet hatte, nach dem selbst auferlegten Rückzug einen neue Version des Staatschefs zu sehen, wurde am Donnerstag enttäuscht. Macron gab zum Nationalfeiertag ein einstündiges Fernsehinterview im Garten des Elysée-Palasts, in dem er selbstbewusst das wiederholte, was er schon vor seiner Wahl angekündigt hatte.

So machte er klar, dass er an der Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 65 Jahre festhalten will - den Mehrheitsverhältnissen in der Nationalversammlung zum Trotz. Im Herbst solle mit Gesprächen über die Reform begonnen werden, deren Umsetzung schon im nächsten Sommer beginnen könne, kündigte er an. „Wir müssen verantwortungsvolle Kompromisse konstruieren“, forderte er, ohne allerdings selbst Kompromissbereitschaft zu zeigen. Auf Nachfragen der beiden Journalistinnen antwortete er in gewohnt oberlehrerhaftem Ton.

Dabei hatte der Staatschef bereits diese Woche eine erste Niederlage im Parlament hinnehmen müssen. Der rechtspopulistische Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen, das links-grüne Nupes-Bündnis und die konservativen Republikaner stimmten gegen einen Gesetzesartikel, der Kontrollen des Impfstatus an den Grenzen Frankreichs vorsah. Macron sprach von einem „barocken Zusammenschluss“, der als einziger die Regierung blockieren könne. Vor allem die Wählerinnen und Wähler der Republikaner hätten sicher etwas gegen eine solche Allianz mit den Extremen, stichelte er.

Die „Républicains“, die in Frankreich mehrmals den Präsidenten stellten, galten nach den Parlamentswahlen mit ihren 62 Abgeordneten als natürliche Verbündete Macrons. Eine Koalitionsregierung nach deutschem Vorbild schloss Parteichef Christian Jacob allerdings sofort aus. „Ich habe keine Berufung dazu, Deutscher zu sein“, sagte der 62-Jährige, der Macron damit zum Regieren mit wechselnden Mehrheiten zwang.

„Er behält seine Richtung bei“

Bei der geplanten Arbeitsmarktreformen kann der Präsident wohl mit einer Unterstützung der Républicains rechnen. Er will strengere Vorschriften für Arbeitslose einführen und Gegenleistungen von Sozialhilfeempfängern verlangen. „Es gibt keinen Ort in Frankreich, wo die Leute einem nicht sagen, dass sie Angestellte suchen“, sagte er zur Begründung. Vor vier Jahren hatte Macron für Ärger gesorgt, als er einem Arbeitslosen geraten hatte, nur die Straße zu überqueren, um einen Job zu finden. „Das stimmt heute noch viel mehr.“

Ohne schlechtes Gewissen zeigte sich der Staatschef auch in der Affäre um den US-Konzern Uber. Unterlagen, die unter anderem die Zeitung „Le Monde“ veröffentlichte, enthüllen, dass Macron sich als Wirtschaftsminister von 2014 bis 2016 aktiv für eine Öffnung des Taxi-Marktes zugunsten von Uber eingesetzt hatte. Er habe damit tausende Arbeitsplätze gerade für junge Leute geschaffen, die sonst keine Anstellung gefunden hätten, rechtfertigte er sich. „Ich würde es gleich morgen wieder tun.“ Uber habe dabei keinen Einfluss auf ihn ausgeübt. „Ich habe nicht das Temperament, unter dem Einfluss von jemandem zu stehen.“ Bereits vor zwei Tagen hatte Macron sein Vorgehen mit deftigen Worten verteidigt. „Das geht mir am Hintern vorbei“, sagte er in einem schwer zu übersetzenden Satz zu den Vorwürfen, mit seiner liberalen Reform würden soziale Standards unterlaufen.

Mit seinen Äußerungen zerstörte Macron die Hoffnung vieler, er werde die französische Gesellschaft in den nächsten fünf Jahren stärker zusammen führen. „Er behält seine Richtung bei“, kritisierte der Abgeordnete der Linkspartei La France Insoumise, Alexis Corbière, das Fernsehinterview des Präsidenten. Das gelte vor allem für die Rentenreform, die sowohl das Linksbündnis Nupes als auch der RN ablehnen. „Wir sind radikal anderer Meinung“, sagte Corbière. Für die nächsten Projekte, die Macron in der Nationalversammlung durchbringen möchte, bedeutet das nichts Gutes. Schon im Juli soll ein Gesetz zur Stärkung der Kaufkraft verabschiedet werden. Im Herbst folgt dann die Haushaltsdebatte in einer Nationalversammlung, in der laut einem Abgeordneten des Macron-Lagers bereits jetzt eine Stimmung wie auf dem Fußballplatz herrscht. „Wir werden es schaffen“, kündigte Macron zum Abschluss seines Interviews an. Wie das gehen soll, sagte er allerdings nicht.

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