Chemiewaffen in Syrien Entsorgungspläne werden zur Nervenprobe für Obama

WASHINGTON · Im Gespräch mit dem Sender Fox News warf Syriens Präsident Assad den zwischen Russland und den USA ausgehandelten Zeitplan über die Beseitigung sämtlicher syrischer Chemiewaffen über den Haufen.

Zwei wichtige politische Botschaften in der Weltpolitik an einem Tag - beide über die Medien ausgetauscht. Gerade noch zerbrachen sich die USA den Kopf über die Aufrichtigkeit des neuen iranischen Präsidenten Hassan Ruhani - er hatte am Mittwoch gegenüber dem Sender NBC beteuert, Teheran plane auf keinen Fall den Bau von Nuklearwaffen - , da schlägt ein weiteres Promi-Interview Wellen. Syriens Präsident Assad testet darin aufgesetzt selbstbewusst die Nerven von Präsident Obama.

Im Gespräch mit dem Sender Fox News warf der von großen Teilen der Weltgemeinschaft für Giftgas-Anschläge auf die eigene Bevölkerung verantwortlich gemachte Herrscher den zwischen Russland und den USA ausgehandelten Zeitplan über die Beseitigung sämtlicher syrischer Chemiewaffen über den Haufen. Hatten die Außenminister Kerry und Lawrow ausverhandelt, dass Damaskus bis Sommer 2014 alle Bestände vernichtet haben muss, so stellt Assad fest, dass die "komplizierte Aktion" mindestens ein Jahr dauern (gerechnet ab Anfang 2014) und rund eine Milliarde Dollar kosten wird. Bezahlen sollen andere. "Wenn die USA bereit sind, dieses Geld zu bezahlen und das toxische Material nach Amerika zu bringen, warum tun sie es dann nicht?", fragte Assad im Gespräch mit den Fox-Leuten.

[kein Linktext vorhanden]Den forschen Ton, den der Despot anschlug, erklären sich Regierungskreise in Washington mit der "immer breiter werdenden Rückendeckung Moskaus". Die russische Regierung hält an der von Assad gestreuten Behauptung fest, die von radikalen Dschihadisten durchsetzte Opposition im Bürgerkrieg sei für das Massaker an bis zu 1400 Zivilisten nahe Damaskus am 21. August verantwortlich - und nicht die Regierungstruppen.

Den detailliert aufbereiteten Bericht der UN-Waffeninspektoren, der den Einsatz des Nervengiftes Sarin zweifelsfrei nachweist und die Verantwortung für die Attacken bei Assad ablädt, nannte der Präsident "unrealistisch". Wörtlich sagte er: "Wir haben keine Chemiewaffen in Ghuta (Vorort von Damaskus, d. Red.) eingesetzt." Jeder Mensch könne heutzutage Sarin in der eigenen Küche herstellen, sagte Assad, um im nächsten Satz zu betonen, dass der Einsatz dieser Chemiewaffen nur von Spezialisten bewerkstelligt werden könne.

Waffen-Experten bei den UN sehen darin einen "bezeichnenden Versprecher": Nur Spezialeinheiten Assads besäßen die Fähigkeiten und die zum Abschuss nötigen Trägerwaffen. Ohne kritisch von Fox News hinterfragt zu werden, behauptete Assad, dass Russland im Besitz von Beweisen dafür sei, dass - anders als von den UN ermittelt - die Giftgas-Raketen am 21. August von Stellungen der Aufständischen abgefeuert worden sein sollen.

[kein Linktext vorhanden]Bislang hat Moskau auf der Ebene des UN-Sicherheitsrates entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt. Samantha Power, US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, sagte, alle Untersuchungsergebnisse der UN-Inspekteure machten klar, dass "nur das Assad-Regime" für den "größten Giftgas-Einsatz der letzten 25 Jahre" verantwortlich sein könne.

Assads Aufritt im US-Fernsehen lässt aus Sicht von US-Regierungsvertretern eine "harte Konfrontation" erwarten, die bereits während der UN-Vollversammlung nächste Woche in New York aufbrechen könne. Während Amerika, England und Frankreich dem syrischen Regime mit Sanktionen bis hin zu Militärschlägen drohen, falls Assad bei der Chemiewaffen-Zerstörung trickst, stemmt sich Russland mit seiner Veto-Macht im UN-Sicherheitsrat gegen eine harte Bestrafung des einzigen Verbündeten im Nahen Osten.

Indirekt hat Russlands Präsident Putin auch zwei ehemalige Obama-Vertraute auf seiner Seite. Die früheren Verteidigungsminister Robert Gates und Leon Panetta bezeichneten die bisherige Strategie des Weißen Hauses im Syrien-Konflikt überraschend unverblümt als verfehlt.

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