Nahostpolitik der Türkei Erdogan plant Einsatz in Katar

Istanbul · Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht die Grundfesten seiner Nahost-Politik in Gefahr. Jetzt schickt er weitere Soldaten nach Katar.

 Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani.

Foto: dpa

Schon bald könnten bis zu 3000 türkische Soldaten und Kampfflugzeuge im Golfstaat Katar stationiert werden, um der dortigen Regierung im Streit mit ihren arabischen Nachbarn beizustehen. Mit der Eilentscheidung des Parlaments zur Truppenstationierung, die von Präsident Recep Tayyip Erdogan sofort unterzeichnet wurde, stürzt sich die Türkei in den neuen Konflikt am Golf – trotz Warnungen der Opposition. Erdogan stellt sich an die Seite der Kataris, weil er die Grundelemente seiner Nahost-Politik in Gefahr sieht.

Mit der militärischen Solidaritätsbekundung für die Regierung in Doha setzt Erdogan auch ein Zeichen zugunsten eines wichtigen Investors in seinem Land. Auf fast 20 Milliarden Dollar wird das finanzielle Engagement Katars in der Türkei geschätzt. Scheich Tamim bin Hamad bin Khalifa, der Herrscher des reichen Golfstaates, kaufte vor zwei Jahren eine Villa am Bosporus in Istanbul für 100 Millionen Euro. Regierungsgegner spekulieren zudem, Erdogan habe möglicherweise sein eigenes Vermögen in Katar deponiert.

Doch Erdogans Parteinahme für den Scheich hat nicht nur persönliche oder wirtschaftliche Gründe. Neben Katar ist Erdogans Türkei der wichtigste Unterstützer der Muslimbruderschaft und von Gruppen wie Hamas. Die finanzielle und logistische Hilfe der Kataris für diese radikal-islamischen Organisationen war wiederum einer der entscheidenden Gründe für Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten, die Beziehungen zu Katar abzubrechen und die Monarchie am Persischen Golf zu isolieren. Die Muslimbrüder werden von den arabischen Herrscherhäusern als Bedrohung ihrer Monarchien betrachtet.

Auch Ankara könnte in den Blick Saudi-Arabiens rücken

Auch in den türkisch-saudischen Beziehungen bilden die Muslimbrüder deshalb seit Jahren einen Streitpunkt. In der Türkei wird nun darüber spekuliert, ob Ankara nach der arabischen Strafaktion gegen Katar als nächster an der Reihe sein könnte. Katar sei der einzige Golfstaat, der eine positive Meinung über die Türkei habe, schrieb der Journalist Fatih Altayli in der Zeitung „Habertürk“.

Türkische Exil-Oppositionelle betonen, einige der Islamisten, die laut Saudi-Arabien von Katar unterstützt werden, hätten sehr gute Beziehungen zur türkischen Führung. Hinter diesen Verbindungen steckt ein programmatischer Ansatz der türkischen Nahost-Politik der vergangenen Jahre. Ankara suchte die Nähe zu den Muslimbrüdern und anderen Gruppen, um die Stellung der Türkei in der Region zu stärken. Diese Strategie ist im Arabischen Frühling und im Syrien-Konflikt zwar gescheitert, doch die Regierung bleibt der grundsätzlichen Ausrichtung von damals treu: Bis heute hasst Erdogan den ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi, der 2013 den Muslimbruder und Staatschef Mohammed Mursi in Kairo stürzte.

Offen ist, wie es für die Türkei in der Region weitergehen soll. Alleine wird die Türkei die Unterstützung für Gruppen wie die Muslimbrüder oder Hamas nicht aufrechterhalten können: Wenn Katar als Helfer ausfällt, steht Erdogan vollends isoliert da. Schon ist die Rede von einer neuen Regierung in Doha, die den bisherigen Kurs revidieren könnte.

Einen solchen Totalkollaps der Kataris will Erdogan mit dem militärischen Beistandsversprechen verhindern, doch er kann sich nicht sicher sein, dass dies auch gelingt. Es ist kaum vorstellbar, dass die Rolle Dohas als Finanzier und Gastgeber der Muslimbrüder nach einer Beilegung des derzeitigen Streits so weitergehen wird wie vorher: Im Rahmen einer Lösung dürfte Katar zu Kompromissen gezwungen werden.