Moderne Sklaverei EU will Menschenhändlern das Handwerk legen

BRÜSSEL · Kinder kosten bis zu 20.000 Euro. Soviel zahlen Menschenhändler nach Erkenntnissen der Europäischen Polizeibehörde Europol in Den Haag für minderjährige Jungen oder Mädchen, die dann zum Diebstahl oder zum Betteln missbraucht werden. "Sklaverei findet man leider nicht nur in den Geschichtsbüchern", erklärte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, als sie am Dienstag in Brüssel die neue EU-Strategie gegen Menschenhandel vorstellte.

"Es ist erschütternd, dass in unserer heutigen Zeit noch immer Menschen verkauft oder als Zwangsarbeiter und Prostituierte gehandelt werden." Und das nicht zu knapp. Weltweit wird die Zahl der Opfer von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) mit 20,9 Millionen angegeben, 5,5 Millionen davon sind Kinder. Allein in den Industrieländern USA, Kanada, Australien, Japan, Norwegen und den EU-Mitgliedstaaten sollen es rund 1,5 Millionen sein.

Die Täter erwirtschaften mit dem Handel weltweit rund 25 Milliarden Euro pro Jahr. Ihr Risiko gilt als gering. Während die Zahl der betroffenen Opfer in den vergangenen Jahren stetig anstieg, schicken die Gerichte immer weniger Täter ins Gefängnis.

Zwischen 2008 und 2010 sank die Zahl der Verurteilten von 1 500 auf 1 250. "Das ist wirklich ein Skandal", sagte die EU-Kommissarin. Oft fehlten Beweise. Die Strafen für Menschenhandel seien zudem in der EU sehr unterschiedlich und reichten von einigen Monaten bis zu 20 Jahren Haft.

Nun will die EU gegensteuern und hat einen fünfjährigen Handlungsplan, der bis 2016 läuft, vorgelegt. Alle nationalen Polizeibehörden (in Deutschland das Bundeskriminalamt sowie die Kriminalämter der Bundesländer) sollen eigene Strafverfolgungseinheiten einsetzen. Diese werden auf europäischer Ebene mit Europol und Eurojust (einem Zusammenschluss der Anklagebehörden) zu einer grenzüberschreitend tätigen Task Force verbunden.

Außerdem wollen die Mitgliedstaaten mit den Unternehmerverbänden enger zusammenarbeiten, um die Betriebe vor Ort zu sensibilisieren. Opferschutz-Organisationen sowie andere gesellschaftlich engagierte Gruppen sollen eine eigene EU-Plattform bekommen.

Darüber hinaus will Brüssel leicht verständliche Informationen für potenzielle Opfer bereitstellen, damit diese sich auch ohne Furcht vor sofortiger Abschiebung an die Ermittlungsbehörden wenden können. Aus dem Forschungsetat sollen Projekte finanziert werden, die die präventiven Möglichkeiten des Internet und sozialer Netzwerke ausloten. Malmström: "Unser oberstes Ziel muss es sein, dem Menschenhandel definitiv ein Ende zu bereiten."

Das Strafmaß soll künftig in allen EU-Ländern zwischen fünf und zehn Jahren Gefängnis liegen. Die Justiz kann Kriminelle auch für Taten außerhalb ihres Heimatlandes bestrafen und gegen ausländische Menschenhändler ermitteln.

Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) geht davon aus, dass 76 Prozent der verkauften Menschen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung entführt wurden (alle Zahlen gelten für 2010). Weitere 14 Prozent werden als Zwangsarbeiter missbraucht, drei Prozent müssen Betteln gehen und immerhin noch ein Prozent landen in Haushalten, wo sie in Sklaverei ähnlichen Zuständen gehalten werden. Bei den Betroffenen handelt es sich zu 79 Prozent um Frauen, von denen wiederum zwölf Prozent minderjährige Mädchen sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort