Krisenstaat Ägypten EU will nicht tatenlos zusehen
BRÜSSEL · Europa will nicht länger tatenlos zusehen. Während die Situation in Ägypten gestern erneut eskalierte, ebneten die EU-Botschafter der 28 Mitgliedstaaten gestern den Weg für eine "scharfe Antwort" der Außenminister, die am morgigen Mittwoch in Brüssel zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen werden. "Ich habe große Einigkeit gesehen", sagte der EU-Sonderbeauftragte für die Region, Bernardino Leon, am Montag.
Tatsächlich scheint die Entschlossenheit der Gemeinschaft groß, die im Vorjahr zugesagte Unterstützung für einen demokratischen Umbau des Landes in Höhe von fünf Milliarden Euro auf Eis zu legen. "Was in Kairo und anderen Städten abläuft, hat nichts mit Demokratie zu tun, die die EU unterstützen kann", betonte ein hoher EU-Diplomat nach dem Treffen.
Ein allzu machtvolles Signal wird morgen aber wohl kaum gesetzt werden können. Nicht einmal ein zugedrehter Geldhahn dürfte die Militär-Machthaber wirklich beeindrucken können. Denn derzeit fließt ohnehin kein Geld in die Unruhe-Region. Einerseits sind die Bedingungen vor Ort nicht erfüllt, andererseits stellt Kairo auch keine Anträge. Dennoch versprechen sich die Außenminister der Mitgliedstaaten viel von einem solchen Beschluss, den einige Mitgliedstaaten für ihre bilateralen Zahlungen bereits vorweggenommen haben.
Bundesentwicklungshilfe-Minister Dirk Niebel (FDP) fror bereits 25 Millionen Euro für Ägypten ein, ein Kooperationsprogramm für Klima- und Umweltschutz wurde gestoppt. Stattdessen gibt es nun 15 Millionen Euro für syrische Flüchtlinge in Jordanien. Auch die Niederlande setzten ein Hilfsprogramm über acht Millionen Euro aus, Dänemark und das Nicht-EU-Land Norwegen reagierten in gleicher Weise. Nun soll auch Brüssel alle Zahlungen einstellen.
Sehr viel mehr Möglichkeiten bleiben der EU auch nicht. Die Forderungen nach Aussetzen von Militärhilfe gehen ins Leere, weil es keine Militärhilfe für Kairo gibt. Italien hat sich bereits für ein gemeinsames Veto gegen Waffenlieferungen ausgesprochen. "Das scheint mehrheitsfähig", hieß es gestern aus dem Kreis der Ländervertreter.
Allzu groß sind die Hoffnungen, dass ein solcher Maßnahmenkatalog aus der Feder der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton etwas bewirkt, allerdings nicht. Zumal auch in den eigenen Reihen durchaus Bedenken vorhanden sind. Schließlich würde ein Einfrieren zumindest der Gelder, die auch vor Ort ankommen, zuerst die Menschen treffen, nicht aber die Regierung sowie die Lenker der Sicherheitskräfte und der Armee. Damit steht die Gemeinschaft wie schon beim Ausbruch des arabischen Frühlings eher ohnmächtig und mit leeren Händen da. "Wir sollten nicht damit rechnen, dass die politischen Kräfte in Kairo auf Brüssel hören", sagte ein hoher Vertreter der EU.
Zwar durfte Ashton vor wenigen Tagen in der ägyptischen Hauptstadt in durchaus offener Atmosphäre mit allen politischen Kräften inklusive des gestürzten Präsidenten Mursi reden. Ein diplomatischer Achtungserfolg, der jedoch ohne Auswirklungen blieb. Kurz nach der Abreise der höchsten außenpolitischen Vertreterin der EU brachen die blutigen Auseinandersetzungen erst richtig aus. Und so fühlt sich die Gemeinschaft erkennbar in einem Dilemma: Einerseits will man sich nicht länger auf Appelle beschränken, andererseits könnten Zwangsmaßnahmen, die die Außenamtschefs morgen verabschieden, erst recht dokumentieren, wie hilflos Europa angesichts der Vorgänge in Ägypten ist.