Steuerschätzung Finanzminister Scholz will schwarze Null bewahren

Berlin · Die neue Steuerschätzung stellt einen Wendepunkt dar: Nach Jahren steigender Steuereinnahmen muss der Bund erstmals wieder sparen. Finanzminister Olaf Scholz will die schwarze Null bewahren.

 „Genug Luft im Haushalt“: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).

„Genug Luft im Haushalt“: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).

Foto: dpa

Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden werden in den Jahren 2019 bis 2023 um rund 124 Milliarden Euro geringer ausfallen als bislang erwartet. Allein der Bund muss Mindereinnahmen im Vergleich zu den bisherigen Erwartungen von gut 70 Milliarden Euro hinnehmen, teilte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag nach der jüngsten Steuerschätzung mit.

In den Eckwerten für den Bundeshaushalt 2020 und in der Finanzplanung bis 2023 habe er im März die schlechtere Einnahmenentwicklung bereits „eingepreist“, sagte Scholz. Im Bundeshaushalt 2020 müssten daher nur noch 1,6 Milliarden Euro eingespart werden, was Scholz als machbar einstufte. Insgesamt fehlten dem Bund 10,6 Milliarden Euro bis 2023.

Die neue Steuerschätzung stellt einen Wendepunkt dar: Mehrere Jahre hintereinander konnte der Staat dank guter Konjunktur und wachsender Erwerbstätigkeit stets höhere Einnahmen verbuchen, als zuvor erwartet worden war. Erstmals fallen die Zuwächse nun wieder geringer aus.

Handelskonflikte machen der Konjunktur zu schaffen

Scholz begründete dies vor allem mit der schwächeren Konjunktur. Die weltwirtschaftliche Entwicklung lasse nach – vor allem aus menschengemachten Gründen wie etwa den von US-Präsident Trump angezettelten Handelskonflikten der USA mit China und Europa. Die geringeren Einnahmenzuwächse haben in der Koalition die Debatte über Ausgabenkürzungen und Steuersenkungen befeuert.

Scholz warnte die Koalition dabei vor Übertreibungen. Deutschland sei in keiner Konjunkturkrise, deshalb brauche es auch keine Konjunkturpakete zur Ankurbelung der Wirtschaft. Der Staat verfüge weiterhin über „außerordentlich hohe Steuereinnahmen“. Die Lücken im Haushalt seien nicht so groß, dass die Koalition sie nicht schließen könne, ohne die schwarze Null – das Defizit von Null – aufzugeben.

„Eigentlich kommt doch jetzt erst die Probe aufs Exempel“, sagte Scholz. Denn jetzt werde sich zeigen, ob die Schwüre auf die schwarze Null nur Sprüche gewesen seien „oder ob wir das ernst gemeint haben“. Er habe mit der Bundeskanzlerin besprochen, dass die Koalition beim Prinzip schwarze Null bleiben wolle. Auch die schon im laufenden Haushalt 2019 fehlenden 3,7 Milliarden Euro nach der Steuerschätzung sah Scholz eher gelassen: „So viel Luft haben wir uns gelassen“, sagte er auf die Frage, wie er diese aktuelle Lücke schließen will.

Unternehmenssteuersenkungen, wie sie die Union zur Wachstumsstärkung fordert, lehnte Scholz ab. „Ich bin gegen Steuerdumping-Wettbewerbe“, sagte der SPD-Politiker. Die Regierung bringe gerade ihr Gesetz zur steuerlichen Forschungsförderung auf den Weg. Das sei bereits eine Entlastung für Firmen. An der Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung will die SPD festhalten. Ende des Monats, noch vor der Europawahl, will Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sein Grundrenten-Gesetz vorstellen. Die Grundrente oberhalb der Grundsicherung für langjährig versicherte Geringverdiener dürfte jährlich mindestens fünf Milliarden Euro kosten. Offen ist, ob dieses Geld aus Beitrags- oder Steuermitteln oder aus einer Mischung aus beidem kommen soll.

Kontroverse um Steuersenkungen

Die Union lehnt die Grundrente ohne Prüfung strikt ab – auch wenn sie den Haushalt nicht belasten würde. „Die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ist nicht finanzierbar. Auch nicht aus den Reserven der Gesetzlichen Rentenversicherung. Damit würde die Rentenkasse zu Lasten der Beitragszahler geplündert“, sagte der Chefhaushälter der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg.

In der Union gibt es unterdessen eine Kontroverse über die Frage, ob es in dieser Legislaturperiode noch weitreichende Steuersenkungen geben kann. „Auch für weitreichende Steuersenkungen besteht aktuell kein Spielraum“, sagte Rehberg. Die Bürger würden bereits um rund 60 Milliarden Euro bei den Sozialversicherungen, bei der Einkommensteuer, beim Kindergeld und durch den ersten Soli-Abbauschritt ab 2021 entlastet. Andere Teile der Union fordern, den Soli nicht nur für 90 Prozent der Steuerzahler, sondern für alle abzuschaffen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Zum Thema
Aus dem Ressort
Endlich
Kommentar zum Fachkräfte-Einwanderungsgesetz Endlich