Michael Bloomberg Frühere New Yorker Bürgermeister gründet eine waffenkritische Organisation

WASHINGTON · Er zielt auf die Köpfe. Mit sehr viel Geld. Und Argumenten. New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg, in der Liste der weltweit reichsten Menschen mit 30 Milliarden Dollar Privatvermögen auf Platz 29, zahlt 50 Millionen Dollar aus der eigenen Tasche, um den Hütern des uramerikanischen Waffenkults die Deutungshoheit an den Stammtischen abzujagen.

 Keine Scheu vor mächtigen Gegnern: Michael Bloomberg.

Keine Scheu vor mächtigen Gegnern: Michael Bloomberg.

Foto: AP

Bis zu den Halbzeitwahlen im Kongress im November will seine neue Lobby-Organisation "Everytown for Gun Safety" (etwa: Jede Stadt für Sicherheit im Umgang mit Waffen) eine Million Mitglieder anwerben. Auf amtierende und kandidierende Politiker in beiden Kammern des Parlaments soll massiver öffentlicher Druck ausgeübt werden, um die seit Jahrzehnten umstrittenen Waffengesetze endlich zu verschärfen.

Bloomberg wendet sich in einem ersten emotionalen TV-Werbespot gezielt an Millionen Mütter. Dort wird gezeigt, was beinahe wöchentlich in den USA Realität ist, aber nur noch kursorisch Schlagzeilen schreibt: Beim Spielen im Haushalt entdecken Kleinkinder regelmäßig geladene, unsachgemäß aufbewahrte Waffen ihrer Eltern, hantieren damit unbeobachtet - und erschießen sich oder andere Familienmitglieder.

Bloombergs Gedanke ist bekannt und simpel: Weniger Waffen im Haushalt bedeuten weniger Tote und weniger Leid. Derzeit sind nach amtlichen Statistiken in den USA rund 320 Millionen Schusswaffen in privaten Händen - legal. Jeden Tag sterben dadurch 88 Menschen. Über 32 000 im Jahr, Selbstmorde nicht mitgezählt. Das Gros der Todesfälle entfällt auf Handfeuerwaffen. Halbautomatische Gewehre spielen trotz ihres durch Amokläufe erklärbaren medialen Übergewichts eine untergeordnete Rolle.

Sämtliche Versuche, dem Übermaß an verfügbaren Waffen wirksam Einhalt zu gebieten, sind bisher im Sande verlaufen. Selbst Präsident Barack Obama ist gescheitert. Ein Grund dafür hat drei Buchstaben: NRA. Die vor den Toren Washingtons residierende "National Rifle Association", Dachverband von knapp fünf Millionen registrierten Waffenbesitzern in Amerika, gibt im Jahr knapp 20 Millionen Dollar für Lobby-Arbeit aus. Das Geld kommt von privaten Spendern und den großen Herstellern von Pistolen und Gewehren, die in den USA pro Jahr über 30 Milliarden Dollar umsetzen.

Die NRA will das in der Verfassung seit über 220 Jahren verankerte Bürgerrecht, eine Waffe zu tragen, absolut unangetastet sehen. Engagieren sich nach Tragödien wie dem Massaker an Grundschulkindern in Newtown im Winter 2012 Politiker im Senat und im Repräsentantenhaus für eine Verschärfung der international beispiellos laxen Waffengesetze, etwa durch eine intensive Durchleuchtung von potenziellen Waffenkäufern, nimmt die NRA sie unter Dauerbeschuss.

In demagogisch grundierten Werbespots im Fernsehen werden Waffenkritiker als Verfassungsfeinde dargestellt. Nicht selten wird so ihre Wahl oder Wiederwahl verhindert. Bloomberg dreht den Spieß jetzt: "Wir wollen Politiker unterstützen, die Leben schützen, und sicherstellen, dass diejenigen, die verhindern wollen, dass Menschen geschützt werden, Wahlen verlieren", sagte er in New York.

Die Initiative des Milliardärs fällt zeitlich zusammen mit einem Aufsehen erregenden Buch eines früheren Richters am Obersten Gerichtshofs. John Paul Stevens (93) wirbt darin für eine kurze, aber folgenschwere Präzisierung jener Passage in der amerikanischen Verfassung, auf die sich die NRA und sämtliche Waffenfreunde stützen. Dort heißt es seit dem Jahr 1791: "Da eine wohlorganisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden."

Stevens plädiert für einen Zusatz am Ende - "wenn es in der Miliz Dienst tut". Auf einen Schlag hätten Zentralregierung und Bundesstaaten die Möglichkeit, den legalen Zugang zu Waffen drastisch einzuschränken. Denn Amerika hat eine Armee, aber keine Milizen.

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