Erik Bettermann im Interview "Führer im Dschungel der Information"

BONN · Kultur, Bildung, Medien lautet in diesem Jahr das Thema des Global Media Forums der Deutschen Welle. Im Interview spricht Intendant Erik Bettermann über Bildung, die Rolle der Medien und das Global Media Forum.

 "Natürlich kann Quotendruck und der Zwang zur Schnelligkeit zu Lasten der Inhalte gehen": Erik Bettermann, DW-Intendant.

"Natürlich kann Quotendruck und der Zwang zur Schnelligkeit zu Lasten der Inhalte gehen": Erik Bettermann, DW-Intendant.

Foto: Deutsche Welle

Nach den Schwerpunkten der vergangenen Jahre wie Menschenrechte oder Klimawandel klingt das Thema in diesem Jahr etwas weniger konkret. Warum gerade jetzt Bildung und Medien?
Bettermann: 2014 endet die UN-Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung. Aber Bildung bleibt als eines der großen Themen dieser Zeit auf der Agenda. Es geht um die Frage: Wie viele Chancen haben die Menschen auf dieser Welt, Informationen, Bildung, Erziehung im weitesten Sinn zu erfahren. Denn das ist die Voraussetzung dafür zu begreifen, was die Menschenrechtsfrage bedeutet oder etwa der schonende Umgang mit den Ressourcen dieser Welt.

Bildung gilt zwar als Schlüssel für Entwicklung und Wohlstand, aber trotzdem gibt es weltweit immer noch mehr als 850 Millionen Analphabeten. Woher kommt diese Diskrepanz?
Bettermann: Zwei Drittel der Menschen leben in nicht liberalisierten Medienmärkten. Dort ist das Bedürfnis, Bildung zu erfahren, entweder behindert oder auch gar nicht vorhanden. Es ist ja nicht immer nur so, dass Regierungen zu wenig Schulen und Bildungsmöglichkeiten schaffen, es ist manchmal eben auch die fehlende Motivation - aus welchen Gründen auch immer -, die Kinder zur Schule zu schicken. Dazu kommt der digitale Analphabetismus. Kofi Annan, der ehemalige UN-Generalsekretär, hat einmal gesagt: "Wir müssen darauf achten, dass es mit der technologischen Entwicklung nicht zu einer Zweiklassen-Gesellschaft auf dieser Welt kommt - der Wissenden und der Nichtwissenden." In Afrika südlich der Sahara ist etwa die Verbindung zum Internet und damit zu einer Vielfalt an Informationen, die um den Globus herumschwirren, nur höchst begrenzt möglich.

Sie sprechen den Medien in diesem Zusammenhang eine entscheidende Funktion als Instrument der Aufklärung zu. "Medien stehen weltweit in der Verantwortung", haben sie einmal gesagt. Ist das nicht Wunschdenken? Geht der Trend nicht zu immer mehr Schnelligkeit, Oberflächlichkeit und Verflachung?
Bettermann: Nichts ist so globalisiert wie die Medienlandschaft. Nicht nur die Wirklichkeit des Internets hat das Spektrum der Medien enorm verbreitert. Es gibt eine Explosion der Beteiligung von Medien an der Weltöffentlichkeit. Aber das alles stellt auch neue Anforderungen an die Journalisten. Der Dschungel an Information, dem sich die Menschen gegenüber sehen, erfordert einen Journalisten, der den User, den Zuhörer, den Leser, den Zuschauer da durchführt, der unterscheidet zwischen möglichst objektiver Information und Propaganda. Die Vielfalt an Information, die mit ungeheurer Schnelligkeit um den Erdball kreist, birgt natürlich das Risiko, dass viel Propaganda darunter ist. Der Zeitdruck, unter dem viele Journalisten heute stehen, erschwert die Arbeit sicher erheblich.

Nochmal: Das Diktat der Quote auf der einen Seite und die Verantwortung der Medien für die Vermittlung von Bildung auf der anderen Seite - das sind doch Widersprüche...
Bettermann: Das sind sicher Dinge, die schwer unter einen Hut zu bringen sind. Ob das gelingt, hängt sehr vom Selbstverständnis von uns Journalisten und der Medienhäuser ab. Natürlich kann Quotendruck und der Zwang zur Schnelligkeit zu Lasten der Inhalte gehen. Da muss sich der Journalismus der alten Qualitäten und ethischen Grundanforderungen besinnen.

Welche Rolle können Medien denn spielen bei der Vermittlung von Bildung? Gibt es einen Unterschied in der Rolle der Printmedien und der Rolle der elektronischen Medien?
Bettermann: Wenn Sie zum Beispiel in Afrika, Lateinamerika oder Asien auf die Dörfer gehen, sehen Sie, dass das lokale Radio, oft Bürger-Radios, eine große Rolle für Bildung und Information spielen. Für mich ist klar, dass Printmedien derzeit bei der Vermittlung von Bildung nachhaltiger sind. Aber dazu kommt jetzt das Internet, wo die Webseite ja gewissermaßen eine elektronisch gemachte Zeitungsseite ist. Da ergänzen sich zwei Welten. Auf Dauer wird es keinen Unterschied geben in der Verantwortung, Bildungsangebote zu vermitteln.

Wo stehen wir hier in Deutschland? Werden die Medien hier ihrer Verantwortung gerecht?
Bettermann: Wir haben hier mit dem dualen System von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien einschließlich der Zeitungen ein so hoch entwickeltes Mediensystem, dass sich mancher auf dieser Welt die Finger danach lecken würde, auch nur einen Teil davon zu haben. Und wir werden damit unserer Aufgabe, Demokratie und Bildung zu gestalten, über Themen wie Politik, Umwelt, Gesundheit, Gleichberechtigung zu berichten, gerecht. Das schließt nicht aus, dass alles, was man macht, noch besser gemacht werden könnte. Darum muss sich Journalismus stetig bemühen.

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