Interview mit dem Innenminister Für Seehofer ist Angela Merkel ist die Beste

Berlin · Horst Seehofer, der alte Gegenpart von Angela Merkel, wandelt sich kurz vor seinem 70. Geburtstag zum Merkel-Fan. Er unterstützt ihren Satz „Wir schaffen das“. Und wendet sich gegen alle Rufe vom vorzeitigen Ende der Koalition.

 Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau.

Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau.

Foto: dpa

Herr Seehofer, Sie sind Mitglied im Klimakabinett. Sind Sie für eine CO2-Steuer?

Horst Seehofer: Ich diskutiere gern darüber, wie man Verhalten der Menschen beeinflussen kann, aber unter keinen Umständen will ich eine Mehrbelastung. Wir müssen Steuern senken und nicht erhöhen. Das steht beim Soli ja auch an. Ich werde dem Klimakabinett vorschlagen, die Sanierung von Altbauten in mehreren Schritten steuerlich absetzbar zu machen. Der Altbaubestand hat das größte Potenzial der CO2-Reduzierung. Mit sanierten Häusern könnten wir unseren CO2-Ausstoß um zwei Drittel verringern.

In welchen Schritten könnte es Steuervergünstigungen geben?

Seehofer: Nach Sanierungsabschnitten: Fenster, Heizung, Dach. Es gibt viele Teile des Hauses, die man energetisch sanieren kann. Die wenigsten Hausbesitzer können alles auf einmal finanzieren.

Welches Volumen würde der Staat den Bürgern dazugeben?

Seehofer: In einem Umfang von ein bis zwei Milliarden Euro.

Und mit welchem CO2-Einsparpotenzial rechnen Sie?

Seehofer: Wir reden hier von Einsparungen in Höhe von mehreren Millionen Tonnen CO2. Der Klimaschutz, der Öffentliche Personennahverkehr, Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse – das sind übrigens Themen wie gemalt für eine große Koalition. Jedes für sich eine Herkulesaufgabe. Das können nur die Volksparteien zusammen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor über zwei Jahren mehr Abschiebungen als „nationale Kraftanstrengung“ angekündigt. So kräftig war das bislang nicht, wann beginnt es?

Seehofer: Freuen wir uns doch, dass die Flüchtlingszahlen deutlich zurückgegangen sind. Die von mir eingebrachte und von vielen bekämpfte Obergrenze ist weit unterschritten. Der partielle Kontrollverlust ist überwunden, wir haben Ordnung ins System gebracht. Manches muss noch im Detail verbessert werden, aber wir haben die Lage unter Kontrolle. Wir schieben im Jahr 25 000 Menschen ab. Dazu kommen gut 15 000, die freiwillig zurückkehren. Und wenn ich dann noch die hinzunehme, die ohne Abmeldung gehen, dann erreichen wir etwa 50 000, die pro Jahr Deutschland verlassen. Das neue Geordnete-Rückkehr-Gesetz wird das noch erleichtern.

Sind Sie denn auch zufrieden mit der Bereitschaft der Bundesländer beim Schaffen von Abschiebehaftplätzen?

Seehofer: Sie sprechen jetzt die Kritik von Justizministern an unserer Entscheidung an, eine zeitlich begrenzte Ausnahme einer EU-Richtlinie umzusetzen. Dadurch können Personen vor ihrer Abschiebung auch in Justizvollzugsanstalten untergebracht werden. Die Trennung zu Gefangenen muss erhalten bleiben, es kann aber auf dem Gelände stattfinden. Wenn Justizminister der Länder dies kritisieren, sollten sie sich vor Augen halten, dass am 5. Dezember alle ihre Ministerpräsidenten genau das von mir gefordert haben, und zwar einstimmig.

Zunehmender Terrorismus in Afrika, Kämpfe in Libyen, Drohungen aus dem Iran – können Sie ausschließen, dass sich eine neue Flüchtlingsdynamik wie 2015 wieder entwickelt?

Seehofer: Ich kann nicht garantieren, dass sich keine vergleichbare Dynamik entwickelt, aber ich kann die Garantie geben, dass diese sich für Deutschland nicht mehr so entwickeln würde wie 2015. Das würde ich verhindern.

Sie würden die Grenzen dicht machen?

Seehofer: Die drei Parteichefs haben sich bereits 2015 darauf verständigt, dass wir Transitzentren an den nationalen Grenzen einrichten, wo Asylanträge an Ort und Stelle geprüft und unberechtigte Personen sofort zurückgewiesen werden. Das wäre die wirksamste Maßnahme. Aber im Moment sehe ich nicht, dass das auf uns zukommt.

Sie würden dann bei einer neuen Flüchtlingsdynamik an der Grenze Hallen bauen, um die Flüchtlinge dort zu stoppen?

Seehofer: Da brauchen wir keine Hallen zu bauen, dafür können wir bestehende Einrichtungen nutzen. Darin wird dann schnell entschieden, darin werden dann auch Gerichte integriert, damit wir zügig Unberechtigte zurückführen und Berechtigte in Integrationsmaßnahmen bringen können. Das wäre auch die Lösung für die gemeinsame Asylpolitik in Europa.

Hat sich der Großkonflikt im vorigen Jahr mit der CDU um die Flüchtlingspolitik gelohnt? Wie sieht Ihre Bilanz nach knapp einem Jahr aus?

Seehofer: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass meine Position richtig war. Aber wenn die Mehrheiten fehlen, muss man das akzeptieren. Auch in der CSU hat die Bereitschaft, für diese Position zu kämpfen, immer mehr an Kraft verloren. Ich wollte keinen Dauerstreit, es war nur ein einziger Punkt meines Masterplanes. Das Thema ist erledigt.

Welche Dynamiken sehen Sie nach der Europawahl für die Koalition?

Seehofer: Ich kann nur alle Menschen in Deutschland auffordern: Gehen Sie am 26. Mai wählen! Und überlegen Sie sich Ihre Entscheidung gut. Franz Josef Strauß hat schon vor Jahrzehnten richtig erkannt, dass Deutschland unser Vaterland und Europa unsere Zukunft ist. Und das hat im Jahr 2019 nichts von seiner Gültigkeit verloren. Was den Fortbestand der Regierung anbelangt, wird in Deutschland nach der Europawahl gar nichts passieren – wenn alle Beteiligten klug und besonnen bleiben. Diese Koalition arbeitet gut und vertrauensvoll zusammen. Ich bin überzeugt, dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode für unser Land eine vernünftige Politik machen werden.

Ein Bündnis mit FDP und Grünen hätte ohne Neuwahlen auch eine Mehrheit...

Seehofer: Ich bin bei den Jamaika-Verhandlungen nicht aufgestanden, das war der FDP-Vorsitzende. Das hat sich bei mir eingebrannt, und eine Neuauflage dieses Themas steht auch gar nicht an.

Innerhalb der Union gibt es viele Stimmen, die einen baldigen Wechsel von Merkel zur CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wollen – schon mit Blick auf die Landtagswahlen im Osten.

Seehofer: Der beste Garant für gute Wahlergebnisse ist eine gute und wirksame Politik der großen Koalition. Für einen Wechsel gibt es keinen Anlass. Frau Kramp-Karrenbauer war meine Kollegin als Ministerpräsidentin. Wir haben wichtige Dinge miteinander sehr erfolgreich gemacht. Sie ist eine sehr, sehr qualifizierte Politikerin. Aber was da gerade diskutiert wird, ist Käse.

Trauen Sie Frau Merkel zu, dass sie einfach zurücktritt?

Seehofer: Dafür gibt es überhaupt keinen Anlass. Ich habe wohl die meisten Diskussionen mit ihr geführt, aber das hat nie meine Wertschätzung für sie beeinträchtigt. Sie ist in dieser Regierung die Beste. Sie hat ein sehr hohes Maß an Vertrauen in der Bevölkerung, ist glaubwürdig. Ich kenne niemanden in der Welt, der so sehr auf Achse ist wie sie. Sie reibt sich auf für unser Land. Es gibt auch in Europa niemanden, der so viel Vertrauen genießt wie sie. Wir sollten in der Union stolz sein, dass so eine herausragende Persönlichkeit aus unseren Reihen kommt.

Viele glauben dennoch, dass der Vorrat an Gemeinsamkeiten zwischen Union und SPD nicht bis 2021 reicht.

Seehofer: In der Berliner Blase werden Debatten geführt, die außerhalb kaum einen interessieren. Wir haben Mega-Aufgaben zu lösen: Klima, Energie, Arbeitsmarkt, Digitalisierung, internationale Herausforderungen, da haben wir doch bei allen Unterschieden unendlich viele Gemeinsamkeiten. Die Überprüfung zur Halbzeit haben wir im Übrigen nicht vereinbart, um zu schauen, ob wir aufhören, sondern welche neuen Vorhaben wir vereinbaren. Wir dürfen nicht bei geringen Problemen gleich die Nerven verlieren. Ich gehöre zur „Gruppe MUZ“, das steht für Mut und Zuversicht.

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