Gabriel lehnt Steuererhöhungen erneut ab

Berlin · SPD-Chef und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel setzt zur Aufbesserung der Staatsfinanzen verstärkt auf das Stopfen von Steuerschlupflöchern. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, wie dies die Parteilinke und große Teile der Gewerkschaften fordern, lehnt er inzwischen ab, weil dies zu wenig einbringe.

 Sigmar Gabriel beim Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Foto: Rainer Jensen

Sigmar Gabriel beim Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Foto: Rainer Jensen

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Zudem kündigte Gabriel am Mittwoch auf einem DGB-Bundeskongress in Berlin einen nationalen Beirat an, der den Verhandlungen der EU mit den USA über ein Freihandelsabkommen (TTIP) mehr Transparenz verleihen soll.

Über Steuererhöhungen kämen nur bis zu vier Milliarden Euro mehr herein, argumentierte der SPD-Vorsitzende. Wichtiger sei, Steuerflucht und Steuerdumping zu vermeiden. Deutschland gingen auf diese Weise 150 Milliarden Euro verloren, Europa insgesamt zwei Billionen Euro. Dem Spitzenkandidaten der Konservativen für die Europawahl, Jean-Claude Juncker, warf Gabriel vor, Steuerdumping geradezu zum Geschäftsmodell seines Heimatlandes Luxemburg gemacht zu haben.

Mit den Mehreinnahmen könnte unter anderem die sogenannte Kalte Progression im Steuertarif abgeschafft werden, die insbesondere kleine und mittlere Einkommen bei Lohnerhöhungen zusätzlich belastet. Unter kalter Progression versteht man, dass die Besteuerung bei Lohnzuwächsen überproportional steigt.

Mit Blick auf die derzeitigen TTIP-Verhandlungen sagte Gabriel, diese dürften nicht zur Absenkung von Sozialstandards führen. Er wolle deshalb einen nationalen Beirat, dem auch die Gewerkschaften angehören sollen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: "Das ist ein hilfloser Versuch Gabriels, den Verhandlungen einen transparenten Anstrich zu geben."

Der SPD-Chef erhielt von den rund 400 Delegierten auf dem Kongress viel Beifall für seine Rede. Er sprach dabei auch Themen wie die abschlagsfreie Rente mit 63 oder den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde an. Dabei gibt es deutliche Differenzen zwischen schwarz-roter Bundesregierung und Gewerkschaften. Die Gewerkschaften seien nicht Erfüllungsgehilfen einer Regierung. Das gelte aber auch umgekehrt, sagte Gabriel.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach sich auf dem Kongress für Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn aus. Er erntete damit kritische Zwischenrufe der Delegierten. Man müsse sicherstellen, dass durch den Mindestlohn keine Arbeitsplätze gefährdet werden, argumentierte Tauber.

Die derzeitigen Pläne der Bundesregierung sehen vor, dass der Mindestlohn für Jugendliche unter 18 Jahren sowie für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung nicht gilt. Die Gewerkschaften lehnen Ausnahmen generell ab. Grünen-Chefin Simone Peter forderte die Bundesregierung auf, eine wirksame Kontrolle sicherzustellen, dass der Mindestlohn auch tatsächlich eingehalten wird.

Tauber, der Grüße von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) überbrachte, warb für die abschlagsfreie Rente mit 63: "45 Beitragsjahre muss man erst mal sammeln." Es sei am Ende eine "sehr kluge und besonnene Regelung". Im übrigen sei bekannt, dass es innerhalb der großen Koalition in Einzelfragen noch Differenzen auszuräumen gelte.

Unionsfraktionschef Volker Kauder rief die eigenen Reihen bei "Focus Online" zur Geschlossenheit auf. Die Regierung will die Reform am Freitag kommender Woche als Gesamtpaket im Bundestag verabschieden.

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