Gregor Gysi Galionsfigur der Linken wurde jahrelang bespitzelt

BONN · Immer maximale Meinung, immer volle Breitseite, das sind die Markenzeichen von Rhetorik-Rambo Gregor Gysi. Der Verfassungsschutz, von dem 2012 bekannt wurde, dass er den Linken-Politiker jahrelang ausspähte, alles Wissenswerte in eine Personenakte einpflegte, hatte es dem 66-Jährigen aus verständlichen Gründen besonders angetan.

 Nicht mehr im Blickfeld: Gregor Gysi.

Nicht mehr im Blickfeld: Gregor Gysi.

Foto: dpa

Das Bundesamt sei "ballaballa", wütete er in jedes Mikrofon, die Schlapphüte hätten "schlicht und einfach eine schwere Meise".

Man kann sich fragen, warum der Verfassungsschutz eine Zielperson, die so beredt ihre Ansichten vertritt, die so durch und durch öffentlich zetert, überhaupt noch ausspäht. Doch die Schlapphüte sammelten bis zur Einstellung der Überwachung dieses Jahr mehr als 1000 Seiten Material über den Abgeordneten - angeblich nur aus öffentlichen Quellen.

Ganz frei beschaffbar waren die Daten dann aber wohl doch nicht gewesen, ansonsten lässt sich kaum erklären, warum Gysi 500 geschwärzte und 200 ausgetauschte Seiten vorfand, als er Einblick in die Akte erhielt. "Nicht der Bundestag kontrolliert den Bundesverfassungsschutz, sondern der Bundesverfassungsschutz den Bundestag", wetterte er prompt. Außer Gysi standen noch 26 weitere Linken-Abgeordnete unter Beobachtung.

Nun hat das Kölner Verwaltungsgericht dem Verfassungsschutz per Anerkennungsurteil aufgetragen, sämtliche gespeicherte Daten über Gysi zu löschen. Es verwies dabei auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Jahr, wonach die langjährige Beobachtung des Linken-Politikers Bodo Ramelow nicht gerechtfertigt sei.

Zu den Gründen für die Bespitzelung der Linken hatte der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich 2012 gesagt, es gebe innerhalb der Partei Teile, die sich nicht von linksextremistischer Gewalt abgrenzten, einen marxistischen Staat errichten wollten oder sich nicht vom Unrechtsstaat der DDR distanzierten. Gysi betonte indessen, dass die Überwachung einer demokratischen Partei der Bundesrepublik nicht würdig sei. Er hofft, dass das Urteil der Ausspähung aller Linken-Politiker nun ein Ende setzt.

Über die leidige Diskussion ist eine andere, strittige Akte ganz in Vergessenheit geraten: Seit Jahren wehrt Gysi sich gegen Vorwürfe, er habe zu DDR-Zeiten in seiner Funktion als Dissidentenanwalt mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet. Entsprechende Hinweise fänden sich in der Akte des inoffiziellen Mitarbeiters unter dem Tarnnamen "Notar", berichtete das Nachrichtenmagazin Spiegel vergangenes Jahr.

Gysi weist die Vorwürfe zurück, streitet jedoch nicht ab, dass er im Interesse seiner Mandanten Kontakte zu Staatssicherheitsleuten unterhalten musste. Die DDR-Akte "Notar", sie wird dem 66-Jährigen noch länger nachhängen als das BRD-Geheimdienst-Dossier.

Gysi ist seit 2005 Fraktionschef der Linken im Bundestag, seit 2013 außerdem Oppositionsführer im Bundestag. Der gebürtige Berliner arbeitet in seinem Hauptberuf als Anwalt. 2004 überlebte er drei Herzinfarkte in Folge.

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