Militärunterstützung für Ägypten Gedrosselte Hilfe

WASHINGTON · Als Reaktion auf die unverändert massive Gewalt gegen Anhänger des entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi, dem bald der Prozess droht, wird Amerika seine Militärhilfe für Ägypten empfindlich einschränken. Das Weiße Haus will nach Medienberichten bis Ende dieser Woche Details der Kehrtwende bekanntgeben. Bislang sponsert Washington die Armee in Ägypten jährlich mit rund 1,3 Milliarden US-Dollar (rund 1000 Millionen Euro). Dazu kommen rund 200 Millionen Dollar zivile Aufbauhilfe.

Wie bereits durchsickerte, wird voraussichtlich die Lieferung von zehn Apache-Hubschrauber im Wert von 500 Millionen Dollar gestoppt. Vor Wochen hatte Obama bereits den Export von vier F-16-Kampfjets auf Eis legen lassen. Andere vereinbarte Rüstungsexporte, etwa Bulldozer, Bauteile für Panzer sowie schwere Maschinengewehre, Radaranlagen und Raketen, sollen von der Strafaktion ausgeklammert sein, hieß es aus Regierungskreisen. Das gelte auch für Finanzhilfen, die zur Grenzsicherung und Terror-Bekämpfung dienen.

Obamas Sicherheitsberater hatten diesen Schritt bereits vor drei Monaten empfohlen. Damals rieten Verteidigungsminister Chuck Hagel und Oberbefehlshaber General Martin Dempsey zur Vorsicht. Kairo könne versucht sein, den Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen, Überflugrechte für US-Kampfflugzeuge zu kündigen oder die strategisch wichtige Passage für Kriegsschiffe durch den Suez-Kanal einzuengen, falls Washington den Geldhahn zudreht. Aus dem Obama-Umfeld verlautete gestern bereits, dass die Militärhilfe wieder auf 100 Prozent aufgestockt werden könne, falls die von Militärchef Abdel Fattah al-Sisi kontrollierte Interims-Regierung den Willen zu einer demokratischen Lösung der Lage zeige.

Dass Washington die seit 30 Jahren geleistete Militärhilfe für Kairo überhaupt antastet, im Gegenzug verpflichtete sich das Land seinerzeit zum Friedensschluss mit Israel, zeigt nach Ansicht von US-Kommentatoren die "wachsende Frustration" der Obama-Regierung mit der fortgesetzt eskalierenden Situation am Nil. Am Wochenende kamen bei Protestaktionen über 50 Menschen ums Leben.

Weitere Ausschreitungen sind nach Einschätzung des Pentagon wahrscheinlich. Am 4. November wird der frühere Präsident Mohammed Mursi vor Gericht gestellt. Gemeinsam mit einem Dutzend weiterer Angeklagter muss sich der von der Muslimbruderschaft getragene Politiker wegen der Gewalt im Dezember 2012 vor dem Präsidentenpalast in Kairo verantworten. Fünf Demonstranten starben. Dutzende Verletzte erklärten, sie seien von Sympathisanten der Muslimbruderschaft misshandelt worden.

Unter den 14 Mitangeklagten sind mehrere Vertraute Mursis sowie hochrangige Mitglieder der Muslimbruderschaft. Einige von ihnen wurden bereits festgenommen, andere sind noch auf der Flucht. Mursi wurde Anfang Juli 2013 nach tagelangen Unruhen durch das Militär gestürzt. Seitdem wird er an einem geheimen Ort festgehalten. Unterdessen dreht sich das Karussell der Macht momentan in atemberaubendem Tempo. Armeechef Abdulfattah Al-Sisi, der auch Verteidigungsminister ist, denkt erstmals laut über eine Kandidatur für das Präsidentenamt nach. Die Armeeführung hatte politische Ambitionen bislang stets bestritten.

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