Sparauflagen Geschenke statt Sparkurs

Madrid/Lissabon · Spanien und Portugal kämpfen gegen die EU-Auflagen. Brüssel will diesen Kurswechsel freilich nicht hinnehmen und droht den Defizitsündern mit Sanktionen.

 Vom Musterschüler zum EU-Sorgenkind: Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy.

Vom Musterschüler zum EU-Sorgenkind: Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy.

Foto: dpa

Mit einer harten Austeritätspolitik lassen sich schwerlich Wähler gewinnen. Mit großzügigen Geschenken möglicherweise schon. Wohl auch wegen dieser Erfahrung verabschiedeten sich die südeuropäischen Schuldenländer Spanien und Portugal vom harten Sparkurs, der ihnen von Brüssel auferlegt wurde.

Die EU-Kommission will diesen Kurswechsel freilich nicht hinnehmen und droht den Defizitsündern mit Sanktionen. Doch diese wehren sich und weisen darauf hin, dass eine Bestrafung kontraproduktiv wäre: Finanzielle Zwangsmaßnahmen würden der wirtschaftlichen Erholung schaden. Und die auch hier wachsende Europaskepsis im Land befeuern.

Das Beispiel der beiden aufmüpfigen iberischen Nachbarn zeigt: Die Rebellion gegen Brüssels Sparauflagen hat nichts mit dem Parteibuch zu tun. In Lissabon regieren die Sozialisten, in Madrid die Konservativen. Beide Regierungen forderten die EU heraus, drehten den Geldhahn wieder auf – wohlwissend, dass sie damit gegen die Defizitregeln verstoßen.

Der konservative spanische Regierungschef Mariano Rajoy, seit Ende 2011 an der Macht, galt in Brüssel eigentlich als Musterknabe. Als Retter, der sein Land, das 2012 an der Pleite vorbeischrammte, mit einem Sparkurs stabilisierte. Doch die Ernüchterung kam in diesem Frühjahr, als klar wurde, dass Rajoy die EU hinters Licht geführt hatte.

Eine Bilanzprüfung ergab, dass das Haushaltsdefizit in 2015 weit über der vereinbarten Latte lag – bei 5,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), also fast einen Punkt über dem abgemachten Ziel von 4,2 Prozent. Damit wurde Spanien nach Griechenland zum schlimmsten Etatsünder der Eurozone. Der Gesamtschuldenberg wuchs zugleich auf mehr als 100 Prozent des BIP.

Parteiübergreifende Frontengegen die Austeritätspolitik

Der Wandel Rajoys vom Musterschüler zum EU-Sorgenkind hat damit zu tun, dass der Konservative um sein politisches Überleben kämpft. Je tiefer seine Popularität sank, umso mehr warf er die Sparvorsätze über Bord. Er senkte gegen den Willen Brüssels die Steuern und versprach dem Volk: „Es wird keine weiteren Kürzungen geben.“ Trotzdem verlor er in der Parlamentswahl seine absolute Mehrheit, will nun aber mit einer Minderheitsregierung weiterwursteln.

Die EU fordert derweil bis 2017 Einsparungen von mindestens zehn Milliarden Euro. Doch weitere Kürzungen will in Spanien, wo in der Finanz- und Wirtschaftskrise 29 Prozent aller Familien unter die Armutsschwelle rutschten, niemand. Linke wie rechte Parteien fordern eine Lockerung des Sparkurses – dies kommt einem nationalen Aufstand gegen die Austeritätspolitik gleich.

Eine ähnliche parteiübergreifende Front gegen Brüssels Sparkurs baut sich beim iberischen Nachbarn Portugal auf. Dort amtiert seit Herbst 2015 die sozialistische Minderheitsregierung von António Costa und versucht, durch Wohltaten ihre Macht zu stabilisieren. Costa verkündete ganz offiziell „das Ende der Austeritätspolitik“. Er erhöhte die Mindestlöhne, verkürzte die Arbeitszeit der Beamten, machte Privatisierungen rückgängig.

Auch den Portugiesen droht Brüssel nun mit Sanktionen, weil ihr Etatminus in 2015 rund zwei Punkte über dem vereinbarten Ziel von 2,5 Prozent lag. Doch die portugiesische Nation lässt sich nicht einschüchtern. Sie stützt über alle Parteigrenzen hinweg die sozialistische Rebellion gegen die Brüsseler Keule. Entsprechend selbstbewusst warnt Premier Costa die europäischen Sparkommissare: Eine Abstrafung „würde nicht das Vertrauen der Bürger in die Eurozone stärken“.

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