Kommentar zur Großen Koalition Große Kollision

Meinung | Bonn · CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer untermauert mit ihrem Beitrag zur Zukunft Europas ihren Anspruch aufs Kanzleramt. Mit der Antwort auf Macron demonstriert sie, dass sie sich bereits auf Augenhöhe mit dem französischen Präsidenten sieht, kommentiert Eva Quadbeck.

Die SPD, die mit ihren weitgehenden Sozialstaatsplänen gerade ein wenig warme Luft unter die Flügel bekommen hat, will es unbedingt verhindern, dass Annegret Kramp-Karrenbauer in der Öffentlichkeit als natürliche Nachfolgerin von Merkel nicht nur im Amt der CDU-Chefin, sondern auch als nächste Kanzlerin wahrgenommen wird. Deshalb unternehmen die Sozialdemokraten den Versuch, Kramp-Karrenbauer als möglichst machtlos dastehen zu lassen.

Dass die CDU-Chefin nun auf dem Feld der Europapolitik reüssiert, muss sich die SPD aber selbst zuschreiben. Mit dem Abgang von Martin Schulz als Parteichef ist die SPD in der Europa-Politik quasi verstummt. Warum antwortet SPD-Chefin Andrea Nahles nicht auf Macron? Sie bleibt zu sehr in der Sozialpolitik verhaftet, um als ernstzunehmende Konkurrentin für Kramp-Karrenbauer ums Kanzleramt wahrgenommen werden zu können.

Bei Union und SPD liegen gleichermaßen die Nerven blank. Beide Seiten wissen, dass das Jahr 2019 über das Schicksal der großen Koalition entscheiden wird. Das heißt, zurzeit läuft nicht nur einfach Wahlkampf für Europa und für vier Bundesländer. Im Hinterkopf der Spitzenpolitiker spukt auch permanent herum, dass Ende des Jahres auch die große Koalition am Ende sein könnte.

Für die SPD würde das bedeuten, dass sie wieder einmal recht spontan ihren Kanzlerkandidaten küren müsste. Die CDU wäre mit einer Parteichefin, die das Profil der Union innen- wie außenpolitisch geschärft hat, im Vorteil. Dafür setzt sich Kramp-Karrenbauer zurzeit geschickt in Szene. Immer häufiger demonstriert sie, dass sie die Handbremse lösen möchte, die Merkel allzu oft angezogen hat. Auch ihre Antwort auf Macron ist so zu verstehen. Zugleich grenzt sie sich mit einem schärferen Kurs in der Innenpolitik und einer klaren Sprache in der Europapolitik von Merkel ab.

Viele Sozialdemokraten hatten sich Friedrich Merz als CDU-Parteichef gewünscht – in der Hoffnung, dass sie sich von ihm profilbildend absetzen können. Nun haben sie es mit einer CDU-Chefin zu tun, die der Zuschreibung der „kleinen Merkel“ wenig gerecht wird. Machtpolitisch ist sie genauso ausgekocht wie ihre Vorgängerin. Sie hat aber andere Methoden.

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