Rot-Grün plant neue Sperrklausel Hohe Schulden, teure Brücken, neues Abitur

DÜSSELDORF · Die NRW-Landesregierung steht im Jahr 2015 vor großen Herausforderungen.

 Nachdenklich: NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bei der jüngsten Haushaltsdebatte im Düsseldorfer Landtag.

Nachdenklich: NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bei der jüngsten Haushaltsdebatte im Düsseldorfer Landtag.

Foto: dpa

Beamten-Urteil, Funkloch-Affäre, Misshandlungs-Skandal, Hooligan-Krawalle, Grunderwerbsteuer-Streit - 2014 war für die rot-grüne Landesregierung ein Jahr des Missvergnügens. Nach dem verlorenen Jahr will Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) 2015 mit einer Art "Agenda 2030" ihre politische Zukunftsfähigkeit beweisen. Bereits Anfang Januar wird die Regierungschefin das Arbeitsprogramm für die zweite Hälfte ihrer Amtszeit bis 2017 vorstellen. Laut Staatskanzlei sind zwar mehr als zwei Drittel des Koalitionsvertrages abgearbeitet, doch in zentralen Politikfeldern warten zahlreiche Stolpersteine.

Haushalt: Die Finanzpolitik bleibt die Achillesferse von Rot-Grün. Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) konnte zwar einen Etat 2015 mit "nur" noch 1,93 Milliarden Euro neuen Schulden vorlegen. Zu berücksichtigen sind dabei jedoch 400 Millionen Euro Mehreinnahmen durch die über Nacht entschiedene Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf 6,5 Prozent, historisch niedrige Zinsen und eine weiter robuste Konjunktur.

Wenn die Steuerquellen weniger kräftig sprudeln oder das Geld zum Bedienen des 140-Milliarden-Schuldenbergs nur leicht teurer wird, ist die Schuldenbremse der Verfassung (keine neuen Kredite ab 2020) fast unerreichbar. Nordrhein-Westfalen muss strukturell zwei bis drei Milliarden Euro aus dem Haushalt heraussparen. Krafts Quadratur des Kreises: Sparen und gleichzeitig in Zukunft investieren. Die Regierungschefin verweist oft darauf, dass NRW im Länder-Finanzausgleich ungerecht behandelt werde. Unter dem Strich sei das Land klar Geberland, meinte Kraft jüngst im Landtag. "Wir müssen diese Fehlsteuerung korrigieren."

Personal: Nachdem das NRW-Verfassungsgericht die geplanten Nullrunden für höhere Beamte 2014 rückwirkend gekippt hat, will die Landesregierung in den Haushaltsjahren 2015, 2016 und 2017 auf anderen Wegen jeweils 160 Millionen Euro im Personaletat einsparen. Im Frühjahr steht aber ein neuer Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst an, der Richtschnur für die Beamtenbesoldung ist.

Die Gewerkschaften gehen mit der Forderung nach einem Gehaltsplus von 5,5 Prozent in die Verhandlungen und warnen Rot-Grün vor einer - rechtlich möglichen - Abkopplung der Pensionäre von der Einkommensentwicklung. Hier droht ein neuer Konflikt mit den Beamten.

Energie: Bis zum Sommer 2015 will der Bund ein Gesetz verabschieden, das bis 2020 die zusätzliche Einsparung von 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid im deutschen Kraftwerkspark vorschreibt. Ohne die Abschaltung der ältesten Kohlekraftwerke insbesondere in NRW sind die Ziele nach Experteneinschätzung von den Energiekonzernen nicht zu erreichen.

Bis Mitte des Jahres will die Landesregierung zudem eine "Leitentscheidung" zur Zukunft des rheinischen Braunkohlereviers treffen. Es wird erwartet, dass Festlegungen zu Fördermengen, Effizienzsteigerungen und Kohlendioxid-Einsparungen weitere Belastungen für die Unternehmen mit sich bringen werden. Damit wächst das finanzielle Risiko für Kommunen, dass RWE, Eon und viele kleine Stadtwerke als Steuerzahler ausfallen.

Tariftreue- und Vergabegesetz: Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen soll wieder entschlackt werden. Fast drei Jahre nach Inkrafttreten des umstrittenen Tariftreue- und Vergabegesetzes will Rot-Grün 2015 vor allem vergabefremde Bestimmungen zu Sozial- und Ökostandards durchleuchten. Handwerksbetriebe, die für Kommunen und Land arbeiten, klagen über bürokratische Auflagen, die ohnehin kaum überprüft würden.

Flüchtlinge: NRW richtet sich für 2015 auf weitere 47 000 Flüchtlinge ein. Dafür müssen sichere Flüchtlingsunterkünfte eingerichtet und zusätzlich 91 Millionen Euro bereitgestellt werden. Nach Missbrauchs-Skandalen in Burbach und Essen muss NRW an seinem Image arbeiten.

Schule: Im Schuljahr 2015/16 soll das "Turbo-Abitur" nach zwölf Jahren einfacher gestaltet werden. Durch neue Erlasse sollen Hausaufgaben, Lernstoff und Nachmittagsunterricht begrenzt werden. Gleichzeitig steht NRW mit der Umsetzung der Inklusion vor langjährigen Problemen.

Verkehr: Die überfällige Sanierung maroder Brücken kann mit einer Finanzspritze des Bundes von 280 Millionen Euro bis 2017 vorangetrieben werden. Von den elf vordringlichen Maßnahmen in NRW ist die Lennetalbrücke (A45) in Hagen mit 115 Millionen Euro Baukosten der derzeit teuerste Brückenneubau in NRW. Die Leverkusener Brücke kommt später. Das Verkehrsministerium schätzt die Gesamtkosten für die Sanierung der Brücken bis 2024 auf 4,5 Milliarden Euro. Auch der öffentliche Personennahverkehr muss im Autobahn-Stauland Nummer eins beschleunigt werden.

Sperrklausel: Die Koalition plant für die Kommunalwahl 2020 einen Gesetzentwurf für die Wiedereinführung einer Sperrklausel. Im Frühjahr will die SPD einen Entwurf einbringen, der wohl eine Drei-Prozent-Hürde vorsehen wird, um eine Zersplitterung der Räte künftig zu verhindern. Am 13. September werden in Köln, Bonn, Wuppertal, Essen und Leverkusen neue Oberbürgermeister gewählt. Auch diverse Bürgermeister- und Landratswahlen stehen auf dem Plan. Die Wahlen gelten als Stimmungsbarometer.

Jagdgesetz: Nach massiver öffentlicher Kritik will Rot-Grün im Frühjahr ein ökologisches Jagdgesetz verabschieden. Der Entwurf sieht eine Begrenzung der jagdbaren Arten sowie eine Rückkehr zur Jagdsteuer vor.

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