Frankreich Hollandes Katastrophen-Woche

Paris · François Hollande steuert auf einen Rekord zu, der ihn wenig erfreuen dürfte: Frankreichs unbeliebtester Staatschef zu werden, seit Meinungsforschungsinstitute die Ergebnisse regelmäßiger Umfragen veröffentlichen.

 Begegnung in Paris: Steinbrück bei Hollande.

Begegnung in Paris: Steinbrück bei Hollande.

Foto: dpa

Am Ende einer Katastrophen-Woche fielen seine Zustimmungswerte erstmals unter 30 Prozent. Unpopulärer war bislang nur Jacques Chirac kurz vor seiner Abwahl. 67 Prozent der befragten Franzosen trauen Hollande nicht zu, "die Hauptprobleme effizient zu bekämpfen", also die steigende Arbeitslosigkeit, die sinkende Kaufkraft der Bürger, den rapiden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie.

Nun gesellt sich zur wirtschaftlichen Krise eine moralische hinzu, die die Regierung noch weiter destabilisiert. Budgetminister Jérôme Cahuzac musste unter dem Druck richterlicher Ermittlungen zugeben, 600.000 Euro zunächst in der Schweiz, dann in Singapur geparkt zu haben und zurücktreten.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass Hollandes langjähriger Vertrauter Jean-Jacques Augier in zwei Offshore-Unternehmen im Steuer-Paradies Kaiman-Inseln investiert hat. Der Präsident erklärte, weder etwas von diesen Aktivitäten gewusst zu haben noch von Cahuzacs doppeltem Spiel.

In die Schusslinie geraten auch Premier Jean-Marc Ayrault, der von frühen "Zweifeln" an Cahuzacs Unschuld sprach, und Finanzminister Pierre Moscovici, dem der Budgetminister unterstellt war: Die Nachforschungen der französischen Behörden über die Hintergründe des Verdachts erscheinen zumindest halbherzig.

Sollte sich eine Mitwisserschaft beweisen lassen, droht Hollandes Regierung zu wanken. Seine eigene sozialistische Mehrheit ist bereits demoralisiert durch den massiven Glaubwürdigkeits-Verlust. Der Links-Populist Jean-Luc Mélenchon ruft zu einem Demonstrationsmarsch für die Gründung einer "sechsten Republik" auf, Rechtspopulistin Marine Le Pen fordert gar die Auflösung der Nationalversammlung.

Aber auch ihre Rolle erscheint zweifelhaft, da ausgerechnet einer ihrer Berater 1992 Cahuzacs Schweizer Konto eröffnet hatte. In Anspielung auf Hollandes Versprechen einer untadeligen Regierung erklärte der Chef der konservativen Opposition, Jean-François Copé, die Sozialisten eigneten sich nicht mehr als Erteiler von "Moral-Lektionen".

Seine Partei wird allerdings gerade selbst erschüttert von dem eingeleiteten Verfahren gegen Ex-Präsident Nicolas Sarkozy wegen des Verdachts, illegale Wahlkampf-Spenden von der geistig geschäwchten L`Oréal-Erbin Liliane Bettencourt erhalten zu haben. Eine umfangreiche Kabinettsumbildung, wie Copé sie fordert, schließt Hollande aus: "Nicht die Regierung steht in Frage, sondern ein einzelner Mann hat versagt", erklärte er.

Gestern traf ausgerechnet er SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in Paris. Beobachter interpretieren das als Geste gegen Angela Merkel: Nachdem sie im französischen Wahlkampf Sarkozy unterstützt hatte, empfing Hollande nach seinem Sieg die SPD-Troika mit Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier noch vor der deutschen Kanzlerin. Von einer Wahl Steinbrücks erhofft sich Hollande eine weniger rigide Sparpolitik auf EU-Ebene. Dessen Umfragewerte sind freilich kaum besser: Nur 32 Prozent der Deutschen zeigen sich mit seiner politischen Arbeit zufrieden.

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